Hochverehrtester Herr und Freund!
Sie werden bereits wißen, daß durch Curtis überschwänglichen Enthousiasmus, dermalen contra Eisenbahn (früher loderte er pro Eisenbahn) in St Gallen für den Moment die Verständigung mit den Obligationairs zu nichts geführt hat. – Der gute Curti soll förmlich für die Prioritaetsrechte der süddeutschen Obligationen geschwizt haben, während die Abgeordneten von Glarus und Bünden zu einer Consolidirung des ObligationenVerhältnißes gerne Hand boten. – Die Stadt St Gallen war auch dabei und dafür. Auf Hungerbühlers Treiben hin hatte die St Galler Regierung dagegen beschloßen, dermalen noch neutral zu bleiben. – Ich selbst war nicht bei der Obligationairs Versammlung mehr anwesend; – alldiweilen meine Quadrupeden in Taenikon plötzlich ausgebrochener Kranck heit wegen mich vor Curtis Rede abberufen und gerettet hatten.
Hier in Chur angekommen traf ich mit den leidenschaftlichen Auslaßungen der sog. «Schweizerischen Eisenbahn- und Handelszeitung» gegen die Union Suisse gleichzeitig zusammen. | Ich weiß nicht, welche Motive die deutschen Herrn Barone von Taur oder von Rothkirch und von Marschall bewegen, mit solcher Wuth gegen jeden Vereinbarungsversuch zu Felde zu ziehen. Ich nehme aber an, diese Herren haben von irgend einer Seite her den Auftrag erhalten, die Union Suisse womöglich zum Concurs zu treiben.
Der Eindruck, den dieses Streben hier machte, war aber, soweit ich ihn zu beurtheilen Anlaß hatte, ein penibler. Es genügt zu bemercken, daß z. B die Stadt Chur Inhaberin von einer Million Stammactien ist. – Außer etwa einzelnen vergrämten Individuen, wie Killias usw. wird daher Niemand hier zu Land jene Artikel anders beurtheilen, als einen höchst feindseligen Angriff gegen die östlichen Kantone. – Manche wenig orientirte Inhaber von Actien und Obligationen werden dadurch ängstlich und es ist psychologisch begreiflich, wenn hie und da ein Kurzsichtiger aus Verzweiflung meint «der Staempfli habe am Ende mit dem Rückkauf nicht so Unrecht, es | sei der einfachste Weg, mit den Eisenbahn geschichten aufzuräumen»! usw. Andrer Seits wird man das feindselige Verhalten und Auftreten der «Eisenbahn- und Handelszeitung» hie und da als den Abdruck der öffentlichen Meinung Zürichs ansehen und insbesondere der dortigen tonangebenden Factoren und nicht ermangeln, dies wieder als ein Bestreben auszugeben, sich von Zürich aus aller östlichen Bahnen zu bemächtigen. –– Wenn nun auch bei der Verwaltung der Union Suisse keine einzige Seele dies glaubt noch glauben kann, so muß aufs Publikum der Eindruck doch ein anderer sein.
Aus diesem Grunde bin ich so frei, Sie auf diese Verhältniße aufmercksam zu machen, da es gewiß dermalen sehr darauf ankommt, daß man sich in diesen Fragen nicht auf Irrwege verleiten laße.
Wenn daher in irgend einer Weise den deutschen Proletarier Baronen ein zürcherisches Dementi zu Theil würde, so würde es gewiß nicht nur in der dortigen, sondern insbesondere in der hiesigen öffentlichen Meinung von guter Wirkung sein. –
Ich lese so eben ein «Eingesand» in der N. Z. Zeitung | worin im Einklang mit dem deutschen Courszettel Rittern eine förmliche Hetze gegen die Union Suisse geprediget wird. – Daß nun unsere Regierungen gerade von «Zürich» aus zur Intervention resp zur Bevogtigung aufgefordert werden, dürfte gewiß eher die umgekehrte Wirckung haben. – Bawier , mit dem ich eben sprach, ersuchte mich daher, Ihnen doch vorstehende Bemerckungen mit zu theilen. Ich bin leider! dermalen als Vorsitzender einer Commission zur Auffindung «Neuer Steuern» und zur Reorganisation unserer landwirth. Gesetzgebung dermaßen mit der Zeit in der Klemme, daß Sie mir diese flüchtigen Zeilen gütigst nachsehen wollen. – Ich glaube aber, Ihnen nicht unangenehm zu sein, wenn ich Sie auf die Folgen des Gebahrens des deutschen Proletarier-Baronenthums aufmercksam mache, damit durch dasselbe nicht unnöthiges Mis trauen unter die östlichen Schweizer und unter die Gegner des Rückkaufs geworfen werde. –
Mit der vorzüglichsten Hochachtung geharrend
Ihr ergebster und beeilter
A R v Planta
Chur den 24sten März 1863