Bern d. 20. März 1863.
Mein lieber Freund!
Den Kommissionalbericht über die Geschäftsführung &. den Jahresbericht der Kreditanstalt habe ich richtig erhalten &. verdanke Dir deren Zusendung. Der Flor dieser letztern Anstalt ist sehr erfreulich &. die Vergleichungen allerdings sehr interessant. Es ist dieß eine Schöpfung, auf die Du mit Grund stolz sein darfst.
Daß Du für die Prüfung der Geschäftsführung des Reg.Rathes die eidgenoössische Praxis eingeführt hast, ist entschieden ein bedeutendes Verdienst &. Angesichts dessen will ich den mir gebührenden &. wohl auch mir zugedachten Antheil in der Kritik des Erziehungswesens ruhig hinnehmen, obschon sich Manches darüber sagen lassen würde. Das läßt sich dann gelegentlich einmal mündlich erörtern, da man nothwendig dazu auf das Detail eingehen muß. – Ich denke mir, das nächste Mal werdet Ihr auch noch der Staatskanzlei &. dem Staatsarchiv einen Besuch abstatten. Ich würde es für gut halten, wenn jedes Jahr einem od. 2. Departementen in einem gewissen Cyklus | ganz besondere Aufmerksamkeit zugewendet würde; es käme damit mehr Abwechslung in das ganze Geschäft &. wohl auch mehr Ernst &. Tiefe. Die jetzt gepflogne Untersuchung der gesammten Verwaltung hat offenbar auf das Publikum einen günstigen Eindruck gemacht &. sie wird wohl auch auf die Regierung selbst günstige Rückwirkungen ausüben.
Da Du mir bei Deiner letzten Anwesenheit in Bern sagtest, es handle sich gegenwärtig um Consolidirung der Verhältnisse der Union Suisse, so ist es Dir vielleicht nicht uninteressant zu vernehmen, daß jüngst der Oestreich. Handelsminister unserm Geschäftsträger in Wien erklärte, es werde die Gürtelbahnfrage nächstens ins Reine kommen, Oestreich lasse sein Begehren einer Zweigbahn nach Feldkirch fallen. Es wäre wohl am besten, wenn NOB. &. Un. Suisse das Werk gemeinsam ausführen könnten. Sobald ich Weiteres erfahre, werde ich es Dir gerne mittheilen.
Betreffend die Polenangelegenheit habe | ich Dir jüngst schon angedeutet, daß es zweckmäßig sein dürfte, wenn Zürich sich nicht mit der Helvetia associren würde. Es wird mir immer deutlicher, daß die Helvetia diese Gelegenheit ergreifen will, um in der auswärtigen Politik die gleiche Rolle zu übernehmen, die sie im Innern spielt; sie will auf eigne Faust in großer Politik machen. Heere wird sie zwar nicht gerade ausrüsten können, allein sie wird im Kapitel doch thun, was sie kann &. mit Waffensendungen &. dgl. gehörig renommiren. Es zeigt sich bereits viel Antipathie, der Helvetia Geld in die Hand zu geben, so daß nach meiner Ansicht der Sache selbst sehr geschadet wird, wenn das Zürcher comité nicht seine selbstständige Stellung beibehält &. dieß öffentlich, wenn auch ohne weitere Polemik, erklärt. Da am Sonntag in Olten große Zusammenkunft sein soll, so möchte ich Dich ersuchen, Herrn Prof. Vögeli &. die Dir näher bekannten Mitglieder des Zürcher comité noch | rechtzeitig zu warnen, sie möchten doch ja nicht den faux pas begehen, sich der Helvetia einod. unterzuordnen. Ich bin überzeugt, die wälsche Schweiz &. ebenso die innere Schweiz werden das Züricher comité sehr gern etwaige Sammlungen zur Hand stellen, wenn ein Aufruf &. eine Erklärung dahin gemacht wird, während man der Helvetia nur sehr ungern &. mit Mißtrauen steuern würde. Es wäre daher gut, wenn das Zürcher comité sich mit den befreundeten Theilen der Schweiz ebenfalls ins Einvernehmen setzen würde.
Da mir die Sache in allgemein politischer Beziehung nicht ohne Bedeutung zu sein scheint, so möchte ich Dich ersuchen, derselben einige Aufmerksamkeit zuzuwenden.
Im Kt. Bern bereitet sich Allerlei vor; Du wirst nächstens das Wort: Verfassungsrevision! intoniren hören, – damit die Zürcher nichts voraus haben!
Mit freundschaftlichem Gruße
Dein
Jb. Dubs.