Bern d. 8. Mai 1862.
Mein lieber Freund!
So eben erhalte ich den beiliegenden Brief von Herrn Zschokke (Locher &. Cp.) wegen der Reppischbahnbauten. Nach dem Vertrage können, wie ich schon früher mitgetheilt, die Herrn auf nichts anders als auf Vergütung der stattgehabten Auslagen Anspruch machen; indeß würde es mich natürlich freuen, wenn man sie beim Bau in etwas größerm Maßstab betheiligen könnte. Da sie keine bevorzugten Preise verlangen, so wird solches wohl möglich sein, obschon ich nicht erwarte, daß Ihr zum Voraus eine bestimmte Zusicherung geben werdet. Sei so gut, mir gelegentlich Deine Ansicht mitzutheilen, damit ich Herrn Zschokke ein Wort erwiedern kann.
Der Ausgang der Wahlen im Kt. Zürich hat mich sehr erfreut, wenn ich ihn auch nicht anders erwartet habe. Es ist dadurch der Beweis geleistet, daß das Zürch. Volk zu der Politik seiner bisherigen Repräsentanten steht. Meines Erachtens hätte die ganze liberale Schweiz Ursache zur Freude über diese feste Haltung des Kts Zürich; denn man mag sagen, was man will, er ist &. bleibt doch der festeste Halt der neuen Bundeszustände. Wir werden es noch erleben.
In der Burgerschaft der Stadt Zürich scheint noch ziemlich der alte Geist vorherrschend zu sein; ich glaubte, die alte Generation sei weggestorben; allein sie scheint noch fortzuleben, während das alte Zürich sich doch mit jedem Tage mehr in ein neues umbildet. In den Niedergelassnen ist aber auch viel Trägheit, sonst würden sie sich doch nicht in der Art bei Seite setzen lassen.
Bezüglich der indirekten Wahlen nehme ich an, daß Ihr Grunholzer berücksichtigt; ich würde es für unklug halten, es nicht zu | thun.
Der Landboten Partei ist es gar schlimm ergangen. Wäffler wieder gewählt im Hauptquartier selbst, Bleuler &. Prok. Ziegler daselbst durchgefallen; Pfarrer Ziegler selbst vom zweiten Hauptquartier (Bezirk Bülach) verworfen! Das sieht schlimm aus. Die Acquisition des Herrn Kommandanten Walder ersetzt die Verluste nicht vollständig! Ich glaube, die Lektion werde namentlich den Herrn Ziegler, Bleuler &. Cp. gut thun.
Hier in Bern war unter den Radikalen große Angst. Imobersteg, den ich am Wahltag selbst im Bahnhof traf, sagte mir, es töne schlecht im Land. In vertraulichem Gespräch geben die weniger acharnirten Radikalen auch zu, daß der Staatsbau eigentlich fertig sei doch man werde Das ausbauen, was angefangen sei (Biel–Bern–Langnau), aber nicht mehr weiter gehen &. bei einem gegebnen Anlaß diese Stücke veräußern. Dieß scheint z. B. die einmüthige Stimmung des Oberaargau &. des Oberlandes zu sein. Ich glaube, es ist so gut; ein Sieg der Konservativen wäre in verschiednen Beziehungen nicht unbedenklich gewesen.
Im Bundesrathe haben wir die Zeit her ziemlich Ruhe &. Frieden. Von der großen Neuigkeit, daß Fornerod Bankdirektor in Lausanne werden soll &. werden will, ist wohl schon etwas zu Deinen Ohren gekommen. Die Sache soll so viel als im Reinen sein; der Anstand sei nur in der Ersetzung des Herrn F. im Bundesrath. Er meint, Eytel ziehe noch nicht genügend &. mit Dapples sei es nichts. Demiéville hat hier gegenüber Herrn Pioda ziemlich deutlich durchblicken lassen, daß er die Stelle auch annähme. Wir werden uns darauf gefaßt machen müssen, einen Kandidaten zu suchen; ich glaube aber, wir werden, es mag nachkommen wer will, beim Tausche gewinnen. Ich zöge selbst Eytel bedeutend Fd. vor. Eytel ist ein selbstständiger Kopf &. im Grunde ein natürlicher Gegner | der überwuchernden Allmacht Berns. Die alte Drueysche Schule wird nicht ganz an ihm verloren sein. Er soll sich auch sonst bedeutend gemäßigt haben.
Ich meine damit nicht gerade, daß Eytel unser Kandidat sein müsse; aber ich halte es nicht für ein großes Unglück für uns, wenn er durchginge. Unsern Kandidaten können wir aussuchen, wenn das Faktum eingetreten ist. Ich kann mich zwar offen gestanden weder für Dapples, noch Demiéville begeistern, zöge eher noch Ruffy vor.
Auf neue Dappenthalhändel kannst Du Dich mit ziemlicher Sicherheit gefaßt machen; indeß führen sie dann vielleicht zu einem Arrangement. Stämpfli arbeitet einen Bericht aus über die Beziehungen der Schweiz zu Frankreich; – das bekannte Ei, das er noch jedesmal in sr. Stellung als Präsident gelegt hat &. aus welchem dann im folgenden Jahre ein Nest von Streitigkeiten auskrochen. Wir sind aber dießmal wachsam.
Hr. Stehli schreibt mir, Du werdest diesen Monat den Bezirk Affoltern besuchen, was mich sehr freut. Er wünscht, daß ich Dir die Interessen von Wettschwyl (Dr. Bühler) nochmals ans Herz lege. Hr. Dr. Bühler hat sich allerdings immer wacker um die Sache bemüht, so daß ich ihm einen geistigen Erfolg auch dieser mehr persönlichen &. lokalen Bemühungen sehr wünschen möchte. Thue darin, was Du kannst; das technisch Unmögliche mag ich Dir nicht zumuthen. – Hr. Stehli will als Statthalter abdanken; ich glaube, es läge im Interesse auch unsers Unternehmens, daß er wenigstens bis zu dessen Vollendung in dieser Stellung bliebe. Ich glaube, daß wenn Du ihm dieß empfiehlst, er sich dadurch bestimmen lassen wird. Es wäre für den Bezirk sehr nachtheilig, wenn Hr. St. jetzt zurückträte.
Indem ich Dir einen recht vergnügten Tag in meiner Heimat wünsche, schließe ich mit den freundschaftlichsten Grüßen
Deines
Jb. Dubs