Mein lieber Freund!
Von Anstrengungen aller Art für Realisirung unsers Eisenbahnprojectes bis zur Erschöpfung in Anspruch genommen, wird es mir nur möglich, Dir in Erwiederung auf Dein letztes werthes Schreiben1 die Zusicherung zu geben, daß die Direction der N.O.B. dem Reppischcomité die Baarauslagen, die ihm für Planarbeiten us. f. erlaufen sind, bonifiziren wird. Sie kann den daherigen Betrag auf Rechnung der Kosten der Bauverwaltung der Eisenbahnlinie Zürich– | Zug– Luzern nehmen.
Es gereicht mir zum Vergnügen, Dir mittheilen zu können, daß die Gemeindeversammlung der Stadt Zürich so eben mit sehr überwiegender Mehrheit die von ihr verlangte Betheiligung bei unserer Eisenbahnunternehmung mit einer halben Million Franken beschlossen hat.2
In Beilage schicke ich Dir noch ein Exemplar der einschlägigen Verträge, Conzessionen us. f., wie sie aus den Schlußberathungen der Conferenz hervorgegangen sind. Du wirst Dich aus denselben überzeugen, daß die Direction | der N.O.B. noch sehr erhebliche Zugeständnisse gemacht hat.3
Am rechten Seeufer scheint jetzt für eine Verbindung des Bahnhofes mit dem See & für eine Verbesserung der Dampfschifffahrten agitirt werden zu wollen. Obgleich ich glaube, daß dieß die rechte Richtung für die Thätigkeit des See's wäre & obgleich die N.O.B. wohl nicht ungeneigt sein würde, dabei dem See Hülferische Hand in der einen oder andern Weise zu bieten, so wäre es doch zu bedauern, wenn das rechte Seeufer diese noch ganz unreife Angelegenheit etwa als Beding| ung an unser Project anhängen wollte. Wirke doch bei Deinen Freunden am rechten Seeufer dagegen!4
Mit freundschaftlichen Grüßen
Dein
A Escher
Zürich
19 Dezbr 61.
Kommentareinträge
1Brief nicht ermittelt. Er dürfte nach dem 7. Dezember 1861 an Escher geschrieben worden sein. Vgl. Alfred Escher an Jakob Dubs, 7. Dezember 1861.
2 Vgl. Prot. Gemeindeversammlung Zürich, 19. Dezember 1861; NZZ, 24. Dezember 1861.
3Am 14. Dezember wurde ein Vertrag zwischen den Kantonsregierungen Zürich, Zug, Luzern und der Nordostbahn zur Begründung der Reppischtalbahn abgeschlossen. Escher hatte seine Vertragsentwürfe vorgängig mit Jakob Dubs besprochen. Vgl. Alfred Escher an Jakob Dubs, 3. Dezember 1861; Jakob Dubs an Alfred Escher, 5. Dezember 1861; Alfred Escher an Jakob Dubs, 7. Dezember 1861; Jakob Dubs an Alfred Escher, 21. Dezember 1861; Alfred Escher an Jakob Dubs, 10. Januar 1862, Fussnote 1; Zur Eisenbahngeschichte, Fussnote 205.
4Am 22. Dezember 1861 fand in Meilen eine Versammlung der Grossräte beider Seeufer statt. Sie wollten mit einem Antrag die Nordostbahn veranlassen, eine Schienenverbindung vom Bahnhof Zürich an den See zu bauen, damit ein unmittelbarer Anschluss an die Dampfschiffe gewährleistet sei. Dieses Anliegen war auch in Eschers Interesse, hatte er doch bereits beim Bau des Bahnhofs auf diesen Anschluss hingewiesen. Dass allerdings mit diesem Antrag eine Verzögerung des Baus der Reppischtalbahn einhergehen sollte, wollte er unterbinden. Vgl. NZZ, 12. Dezember 1861, 22. Dezember 1861, 14. März 1862.