Belvoir 20 October 1861.
Mein lieber Freund!
Wenn meine Antwort auf Deinen werthen Brief v. 1 dß. als etwas verspätet erscheint, so wolle dieß mit der Hoffnung, die ich immer hegte, entschuldigen, den Inhalt desselben mündlich mit dir besprechen zu können. Da diese Hoffnung bis zur Stunde nicht in Erfüllung ging, so darf ich meine Erwiederung nicht länger verschieben.
Vor allem erkläre ich mich mit der Art & Weise, wie nach Deiner Ansicht die Angelegenheit des Überganges der Bern' schen Ostwestbahnlinien an den Ctn. Bern von dem Bundesrathe zu behandeln ist (Entscheidung durch die Bundesversammlung & Antrag an dieselbe auf eine clausala | generalis im Sinne des Art. 17 des Bundeseisenbahngesetzes) vollkommen einverstanden. Ich sehe in der That nicht ein, wie Angesichts der mit diesem Übergange unstreitig verbundenen Gefahren, aber auch Angesichts des bestehen der Bundeseisenbahnrechtes anders verfahren werden könnte. Auch andere mit der Materie vertraute Personen, mit denen ich, selbstverständlich unter Beobachtung aller Vorschriften der Direction, Rücksprache genommen, stimmen dieser Anschauungsweise vollkommen bei.
Der Angelegenheit der Zürich–Reppisch– Luzern–Bahn wiedme ich den größten Theil meiner Zeit. Nachdem die vertraulichen Verhandlungen über das dir bekannte Project zur Realisirung dieser Unternehmung durchgeführt waren, haben wir es für passend erachtet, die Angelegenheit dem Verwaltungsrathe | der N.O.bahn vorzulegen, um uns von vornherein der Zustimmung dieser aus 25 Mitgliedern bestehenden Gesellschaftsbehörde zu unserm daherigen Vorgehen zu versichern. Nachdem eine längere Debatte gewaltet & verschiedene Abänderungsanträge vorläufig gestellt worden waren, ist es mir gelungen, am Ende die einmüthige Annahme des Antrages der Direction durch den Verwaltungsrath zu erwirken. In Folge dessen werden wir nun die offiziellen Unterhandlungen beginnen & wir haben, nachdem die Regierung von Zürich es abgelehnt, die Initiative zu denselben zu ergreifen, eine Conferenz der Regierungen von Zürich, Luzern & Zug & der N.O.bahndirection auf den 29 dß. nach Zürich ausgeschrieben. Ich sehe großen Schwierigkeiten entgegen. Am wenigsten solche erwarte ich von Luzern. Die Berücksichtigung der Stadt Zug fällt ungemein | schwer. Eine Ausbiegung von Steinhausen aus an Baar vorbei nach Zug, durch dessen Bahnhof als Durchgangsstation man wieder nach [Cham ?] (nur etwa 2 Kilom. von der Abbiegung bei Steinhausen entfernt) fahren würde, hätte für die sogenannte directe Linie von Zürich nach Luzern einen Umweg von ca 9–10 Kilom. zur Folge, den man vor der Zukunft fast nicht verantworten kann, besonders wenn man bedenkt, daß die Linie durch das Reppischthal ohnehin eine verzweifelt lange ist. Die Herstellung einer Zweigbahn von Zug nach dem nächsten Puncte der von Zürich nach Luzern durchgehenden Linie, welche Zweigbahn mit Pferden zu betreiben wäre, würde unzweifelhaft das rationellste sein, wird aber von Zug unglücklicher Weise auf den Ehrenpunct genommen. Wir zerbrechen uns fortwährend die Köpfe über einen allfälligen Mittelweg. Das eine & das andere Auskunftsmittel ist uns schon zu Sinne gekom-
Kommentareinträge
✲Unvollständig überlieferter Brief.