Bern d. 1. Octob. 1861.
Mein lieber Freund!
Empfange meinen besten Dank für Deine freundliche Gratulation zu meiner dritten Tochter. Es geht Gottlob nach einer anfänglich etwas bedrohlichern Situation meiner Frau recht gut. Einen Sohn hätte ich mir freilich gleich Dir auch gewünscht &. der Trost, den Du Dir über das Mißlingen dieser Hoffnung gebildet, scheint mir doch ein bischen nach der bekannten Historie vom Fuchs &. von den Trauben zu schmecken. Als ein biblischer Mann gründe ich meinen Trost vielmehr auf Abraham. Da wir zur Zeit selbst noch nicht dessen Alter erreicht haben &. unsere Frauen auch noch keine Saren sind, so meine ich, es könnten uns wohl noch etwa zwei von den Schlingeln bescheert werden, die unsere Namen der Nachwelt zu überliefern berufen sind. Also wir wollen uns in Hoffnung gedulden &. inzwischen freundlich aufnehmen, was uns geschickt wird!
Das freundliche Geschenk, das mir eine erleichterte Kommunikation mit Zürich ermöglicht, verdanke ich Dir verbindlich. Ich werde nicht ermangeln, mitunter Gebrauch davon zu machen, um Freunde &. Bekannte der engern Heimat zu sehen.|
Deine Bemühungen in der Eisenbahnangelegenheit Zürich–Luzern freuen mich außerordentlich &. ich wünsche ihnen den besten Erfolg. Die Schwizer Zeitung enthält heute freilich eine Mittheilung von Zug, welche zeigt, daß dort die alte Starkköpfigkeit vorwaltet; indeß wirst Du mit diesen Leuten schon fertig werden. Der Bezirk Affoltern wird Dir sein Lebtag ein dankbares Andenken bewahren, wenn Du ihm die Möglichkeit gewährst, in die Bewegung der Neuzeit miteinzutreten. Das Bewußtsein der großen Bedeutung der Eisenbahnen ist vielleicht nirgends so klar &. allgemein als in der Bevölkerung dieses Landestheils. Es würd mich sehr freuen, wenn Du mir von Zeit zu Zeit über den Stand der Dinge eine Mittheilung machst. Hr. Stehli fragte mich auch darüber an; allein ich schrieb ihm nichts Näheres, indem ich dachte, Du werdest ihm die Sache schon sagen, wenn Du es an der Zeit erachtest. Es ist aber gut, daß Du ihn jetzt etwas unterrichtet hast, Du kannst Dich auf ihn verlassen.
Unter die jüngst besprochene Angelegenheit der Stellung des Bundes zur Bernischen Staatsbahn kann ich Dir nun einiges Nähere melden. Der Antrag des Departements, der Herrn St. bereits in großen Zorn versetzt hat, geht dahin, es solle der Bundesrath Kraft der ihm übertragnen Vollmacht die Konzession unter folg. Bedingungen gewähren:
folgt nun eine förmliche Konzession:
Art. 1. gleich Ziff. 2. im ersten Bändchen pg. 71
Art. 2. = Ziff. 14. daselbst mutatis mutandis: Experte des Bdsrths.
Art. 3. = " 15.
Art. 4. = " 16.
Art. 5. = " 17.
Art. 6. = " 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25.
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Art. 7. = Ziff. 26.
Art. 8. = Ziff. 27.
Art. 9. = Ziff. 28.
Art. 10 Der Kt. Bern ist verpflichtet, 1.) den Anschluß anderer Eisenbahnen
zu gestatten, ohne daß die Tarifsätze zu Ungunsten einmündender Bahnlinien
ungleich gehalten werden dürfen. 2.) Biel–Neuenstadt 2-spurig
zu erstellen, sobald die anschließenden Bahnlinien 2-spurig erstellt
werden. 3.) Auf dieser Bahnstrecke wenigstens so viele tägliche Züge
einzurichten, als die unmittelbar anschließenden Bahnen.
Allfällige Anstände entscheidet der Bundesrath.
Art. 11. = Ziff. 33.
Art. 12. = " 36. &. 37.
Art. 13. Anfangstermin 1. Oct. 62. für Biel–Bern.
Art. 14. Uebliche clausula generalis.
Es wäre mir nun sehr lieb, Deine Bemerkungen darüber zu hören. Da Hr. Pioda auf die Ausstellung nach Zürich kommt, so könntest Du auch noch persönlich mit ihm reden. Vorläufig wäre ich der Ansicht, erstlich die Angelegenheit solle von der Bundesversammlung behandelt werden 2. man sollte nur Vorbehalte allgemeinerer Art aufstellen, einigermaßen nach Analogie des Art. 17. angewandt auf den Betrieb. Ich gewärtige indeß Dein kompetenteres Urtheil.
Herrn Blanchenay haben wir einmüthig zum Zolldirektor ernannt, nachdem die Waadtländer (Hr. Briatte &. Delarageaz) Freunde es ausdrücklich selbst gewünscht hatten. Die Gründe kannst Du Dir selbst denken. Wir verständigten uns dann eben auf eine einmüthige Wahl.
In der Villa le Grand Geschichte können wir die Akten von Genf gar nicht bekommen. Der unsinnige Artikel der Constitut. | hat hier natürlich Feuer &. Flammen erregt. Ich nahm gestern die Gelegenheit wahr, dem (übrigens nach Turin versetzten) Herrn Massignac das Unsinnige einer derartigen Sprache zu Gemüthe zu führen. Es scheint, daß Hr. Thouvenel außerordentlich gereizt ist wegen der Veröffentlichung der Berichte der Genfer Regierung, in denen man ihn als Lügner darzustellen suchte; daher die Hilfe in dieser Sache. England ließ extra moderation et prudence empfehlen; freilich wird die Empfehlung wenigstens bei Herrn St. wenig fruchten, da Keiser den förmlichen Pendant zu Thouvenels Rage liefert. Kern läßt sich ein bischen stark in die schwarzseherische Strömung hineinziehen; er macht mit in Annexationsfurcht, die mir wenigstens zur Zeit auf bloßen Hypothesen zu beruhen scheint. Er sollte sich sehr in Acht nehmen, was er in dieser Beziehung schreibt. Bei St. kommt er deswegen doch nicht in Gnaden; es soll ihm schon zu Gemüthe geführt werden, daß er die Genferberichte nicht ohne weiters durch Dik &. Dünn vertheidigt habe! Einen großen Sturm des Unwillens hat Frey erregt dadurch, daß er beantragte, ein Gutachten des Justizdepart. über die Rechtsfragen zu verlangen! Dessen ungeachtet werde ich mir die Sachen genau ansehen &. mit Gemüthsruhe mein Urtheil nach Recht &. Gerechtigkeit bestimmen.
Doch ich ende. Sei freundschaftlich gegrüßt
von Deinem
Jb. Dubs.