Bern 19 Jan 1861.
Mein lieber Freund!
Während Deiner Krankheit wollte ich Dir absichtlich nicht schreiben. Nun vernehme ich mit Vergnügen, daß es Dir besser geht u eben so gefreut hat es mich, daß Du deine städtischen Ämter aufgegeben hast.. – Jetzt will ich nicht säumen, dir etwas mitzutheilen.
Du weißt, daß man von einer Seite her den Eisenbahnen gewaltig aufsitzen will u dem Bunde möglichst ausgedehnte Rechte vindicirt. Das machte sich gestern wieder geltend. In einer sehr lebhaften Sitzung behandelte man die Frage der Concessions-Gebühren der NordOst- u CentralBahn. Schon über die Form der Behandlung war großer Streit. Die Einen wollten die Eingabe dieser Gesellschaften einstweilen ganz ignoriren und gestützt auf die Thatsache, daß mehr als 4% vertheilt worden, die Concessions Gebühr feststellen, weiteres gewärtigend; die Andern, worunter ich, meinten, daß ja Eure Einwendungen über die Berechnung schon motivirt vorhanden | u von zwey Departementen begutachtet seyen, daß mithin ein sofortiges Eintreten u Prüfen durchaus am Platze seyn. In der Hauptsache noch ärgerer Streit. Die Einen wollen von einer Trennung Eurer verschiedner Industrien u daher von dießfälligen Abzügen gar nichts wißen; weil die Capitalien alle für die Bahnunternehmung als Eines u Ganzes zusammengelegt seyen, weil die Nebenerwerbe im engsten Zusammenhang stehen u bey einer Trennung auf beliebige Weise (in fraudem) gerechnet werden könnten us. w. Ich behauptete dagegen nebst andern, daß die Eisenbahngesellschaften nicht dem Bunde eine allgemeine Vermögens- u Erwerbssteuer schulden, sondern eine Concession für den Bahnbetrieb u der dießfalls der Post gemachten Concurrenz. Wir laßen daher im Grundsatz eine Trennung der verschiednen Industrien zu, finden aber deßhalb Euere Berechnungen noch nicht liquid. Ihr wollt andern Erwerb ganz abziehn; gleichwohl aber belastet Ihr den Dividenden Conto resp. den Bruttoertrag der Bahn mit den Zinsen Euerer gesammten Capitalien u drückt dadurch die Divenden herab, während ein Theil der Capitalien andern Industrien zugewendet ist, deren ganzen Ertrag ihr vom BahnbetriebsErtrag abziehn wollt. Wir erachteten daher, daß diese Verhältniße noch näherer Aufklärung u Untersuchung bedürfen. | Endlich war vorläufig von der Vollziehung die Rede u auch da wird es verschiedne Meynungen geben. Entscheiden die Administrativ Behörden definitiv, Bundesrath u eventuell Bundesversammlung od. kann diese Besteuerungsfrage an die Gerichte gebracht werden u an welche? – Mir scheint es abgesehen vom Rechtspunkte am würdigsten, wenn derartige Streitfragen durch d. Bundesversammlung entschieden würden, gerade wie bey der Berechnung der Postentschädigung zwischen Bund u Kantonen. –
Über alles dieses wurde hin u her gesprochen u die [Sitz?]ung abgebrochen; die Fortsetzung folgt am Dienstag [od. ?] Mittwoch. Ich theile Dir dieses confidentiell mit, weil es dich intreßiren muß u Du vielleicht dich veranlaßt findest, mir hierüber eine Mittheilung zu machen. –
Mit freundlichem Gruß
Dein
F.