Bern den 12 Aug 1858.
Mein lieber Freund!
Gestern hat der Bundesrath die beyliegende Verordnung erlassen, womit der ganze Zweck der Staatsgewalt durchgesetzt werden soll, in allem, was man auch im weitesten Sinn unter den Hut v. schicklichem Anschluß bringen kann mit Inbegriff selbst des Fahrtenplans (Art. 2 & 4). Über alle diese Fragen soll nun der Bundesrath entscheiden u mit Noth d. h. mit 4 Stimmen (Hr Näf war hier mit uns) konnte man die civilrechtlichen Verhältnisse (Art 4) vorbehalten. Nachdem diese Verordnung gestern durchging, kannst du dir denken, wie die Detail Anwendungen später ausfallen werden. –
Ich war, nebst Fornerod & Frey der Meinung, daß man nach allem Vorgegangnen nun bloß die pendenten Streitfälle zu entscheiden, nicht eine allg. Verordnung zu erlassen habe u daß jedenfalls der Entscheid über die Fahrtenpläne durch den Bundesrath nicht im Sinn u Geist des letzten Bundesbeschlußes liege, sondern nur von einer Minderheit angestrebt worden sey. Allein es half alles nichts; es verlauteten sogar drohende Anspielungen, daß wenn man jetzt nicht unbedingt mit dem Strom schwimme, viel größere Agitationen nicht mehr zurückzuhalten seyen! –
Sie benutzen jetzt den günstigen Wind, hetzen immer die Massen auf u wollen nun schnell ihre Lieblingsbahnen herstellen. Ob unter solchen Umständen das Geld sich finden lasse, wird sich zeigen.
Als die Minderheit der nationalräthlichen Commission ihren Antrag brachte, fragte ich mich immer, ob sie wohl einer Mehrheit im Bundesrath versichert sey für den ganzen Umfang ihrer Bestrebungen. Nun bin ich darüber im Klaren seit dem gestrigen Beschluß.|
Am 4 Aug. (am letzten Tage) gab die Ostwestbahn ihren Vermögensausweis ein – aber welchen? – Etwa 470 Aktien habe sie Überschuß bei der Luzern–Zug Linie, 1000 Akt. werden gewiß bald im K. Bern u 4000 anderwärts gezeichnet werden! Dieser Ausweis soll v. Bern nach [Köschenbrunn?] gelten; das Depart. hat begreiflich noch keinen Antrag darüber eingebracht. Inzwischen verlautet, daß in der Nähe v. Bern mit den Arbeiten begonnen sey. –
Du wirst begreifen, daß der Bundesrath u namentlich dessen jetzige Minderheit, frühere Mehrheit, in eine höchst unangenehme u schwierige Lage gebracht ist u ich befinde mich in einer äußerst gedrückten Stimmung u fühle mich ganz krank.
Indem ich nicht ermangeln wollte, dich von dem Geschehnen in Kenntniß zu setzen, grüße ich Dich u die Deinigen freundschaftlichst.
Dein
F.