Mein lieber Freund!
Deine l. Zuschriften v. 7 & 10ten dß. liegen zur Beantwortung vor mir. Der Inhalt der ersten ist humoristischer Natur. Es freut mich sehr & ich beglückwünsche Dich aufrichtig dafür, daß Du trotz alles dessen, was einen entgegengesetzten Eindruck auf Dich machen könnte, die Heiterkeit des Gemüthes nicht verloren hast. Dabei kann ich Dir aber nicht verhehlen, daß, was Du mir in dem fraglichen Briefe erzählst, sowie die «Reden, im Traume gehalten» einen peinlichen Eindruck auf mich gemacht haben. Ich habe mich im Namen der Bundesversammlung & im Namen des Nationalrathes aufrichtig – geschämt, obgleich ich für meine Person, da ich der von Dir satyrisirten Anschauungsweise diametral entgegengesetzt bin, keine Veranlassung dazu gehabt hätte. Es wird mit diesem Besoldungsgesetze gemein getrieben. Während man für alle möglichen löblichen & andern Zwecke, für Deckung unverantwortlicher Defizits sogenannter Eidgenössischer Unternehmungen u. s. f. Geld in Hülle & Fülle hat, sucht man dadurch, daß man dem Bundesrathe nicht einmal so viel Besoldung aussetzt, um die Mitglieder, die sich in dieses Eidgenössische Kreuz spannen lassen, für ihr persönliches Opfer – schadlos zu halten, eine wohlfeile Popularität zu erwerben! Da nützt aber alles Rathen & Reden nichts. Davon habe ich mich in den beiden letzten Bundesversammlungen durch hundert Privatbesprechungen, die ich über diesen Gegenstand hielt, überzeugen können. Am gemeinsten treiben es auch da wieder die St. Galler. Sie heißen das, weil dort alles einen schönen Na| men hat, «republikanischen Freimuth» & versichern, sie würden es vorkommenden Falles «wohlfeiler machen»! Mich eckelt all' dieß in dem tiefsten Grunde meiner Seele an. Und mit diesen erhabenen staatsmännischen Größen sich ohne alle Aussicht auf Erfolg herumzubalgen, ist auch eine Operation von mehr als zweifelhaftem Werthe!
Und nun noch zwei Zeilen, aber nicht viel mehr, über den Brief des H. Consul H. Ich kenne seine groben Garconaden seit altem Datum. Wenn ich Dich aber versichere, daß ich binnen 8 Tagen einen Brief ganz entgegengesetzten Inhaltes, von ihm an mich gerichtet, zu bekommen mich anheischig mache, so wirst Du begreifen, daß ich jenen Garconaden nicht mehr Bedeutung beilege als ihnen im allgemeinen, & so wohl gerade auch vom Bundesrathe, beigemessen wird! Über die Sache selbst vorläufig nur so viel: Wir anerbieten den St. Gallern alle Erleichterungen, die sie wünschen mögen, unter der Bedingung, daß sie auf der Strecke Rorschach–Winterthur pr Kilometer die gleiche Taxe berechnen, wie wir auf der Strecke Romanshorn–Winterthur. Das wollen die Herren aber nicht. Sie wollen auf ihrer 3 Stunden längern & auf einer Strecke von 3 Stunden 2 p% Steigung aufweisenden Bahn ebenso wohlfeil fahren wie wir auf der unsrigen. Und wir fahren schon sehr wohlfeil. Wir könnten nun freilich mit unsern Taxen noch weiter heruntergehen. Dann würden die St. Galler wohl dasselbe thun. Man wird nun sagen, die St. Galler können diesen Kampf weniger aushalten als wir. Einverstanden, wenn es sich bei ihnen um reelle Resultate des Betriebes handeln würde. Um das ist es ihnen aber nicht | zu thun. Sie wollen uns zur Fusion zwingen, um uns ihr schlechtes Geschäft anzuhängen & förmliche Defizits im Betriebe, die sie nach ihrer Administrationsweise erleiden würden, fänden auf ihrem geduldigen Bauconto einen willigen Platz. So wird der Kampf gegen uns geführt & gegenüber solchem Gebahren sind wir in meinen Augen verpflichtet, – unsere Rechtsstellung zu behaupten. Ich möchte wissen, wer uns das übel nehmen könnte! Über das von der Glattthalbahngesellschaft an den Bundesrath mit Beziehung auf unsern Vertrag mit Baden gerichtete Begehren kann ich nur wiederholen, was ich schon über ein ähnliches Ansinnen der Vereinigten Schweizerbahnen an Dich geschrieben habe. Fürs erste sind die Ausstellungen gegen den Vertrag total unbegründet. Und sodann liegt res judicata beim Bundesrathe vor. (Ich bemerke, daß auch die Regg von Aargau, der wir den Vertrag ebenfalls in extenso vorgelegt haben, uns geschrieben hat, «sie habe gegen denselben nichts einzuwenden».) Ich kann mir nun nichts anderes denken, als daß der Bundesrath den Ver. Schweizerbahnen & der Glattthalbahn einfach erklären wird, er habe uns bereits mitgetheilt, daß er gegen den Vertrag nichts einzuwenden habe. Indessen wäre ich Dir doch sehr dankbar dafür, wenn Du die Gefälligkeit haben wolltest, Dich nach den im Bundesrathe obwaltenden Absichten zu erkundigen & Deinen Einfluß in geeigneter Weise, wenn es, was ich kaum glauben kann, nothwendig werden sollte, geltend zu machen.
Deine Tochter ist, wie H Wäffler mir vorgestern sagte, noch in Winterthur. Ich hoffe doch, sie werde nach ihrem Aufenthalte dort noch einige Zeit in Zürich verweilen & uns dadurch | Gelegenheit bieten, sie bei uns in Belvoir zu sehen. Ich fühle mich wiederholt gedrungen, Dir für Deine fortgesetzten werthvollen Mittheilungen über Angelegenheiten, welche die Nordostbahn beschlagen, herzlich zu danken. Daß ich den delicatesten Gebrauch davon mache, dessen wirst Du Dich hoffentlich bereits versichert halten.
Lebe wohl & empfange mit unser aller warmen Wünschen für baldige Wiederherstellung Deiner Gesundheit & mit unser Aller freundschaftlichen Grüßen an Euch alle treuen Handschlag von
Deinem
A Escher
Belvoir
12 Febrr 1858.