



SCHWEIZERISCHE BUNDESCANZLEI
Bernd. 26. Juli 1855.
Mein lieber Freund!
Nur schnell einige Worte. Die Sitzung ist gestern Abend geschlossen worden, die Schwyzerfrage ist also glücklich ver-schoben worden: ich soll Dir im Namen Hegners für Deine Theil-nahme danken. – Dann soll ich Dir eine ganze Masse von Grüßen ausrichten, von Pioda, SchallerWeder, Bernold, Blumer (welcher abbitte, daß er wegen einer Sitzung der Südostbahnge-sellschaft in Baden Dich nicht habe besuchen können) &. von noch recht vielen andern Personen, deren Zahl fast nicht zu benennen ist. Alle wünschen Dir recht sehr baldige Besserung; Hungerbühler sagte mir, ich solle Dir doch ja empfehlen, anzufangen, Deiner Gesundheit Sorge zu tragen, worauf ich ihm entgegnete: «Seine gütliche Besorgniß um Dich werde Dich sicher um so mehr freuen, als Du sie wohl in erster Linie nicht gerade von ihm erwartet hättest».
Schaller, den ich so eben noch sprach, kehrt mit sehr fröhlichem Gesichte heim, da er den Brückenzoll in der Tasche &. die Eisenbahn in Aussicht hat. Er bemerkt mir, daß wahrscheinlich die Centralbahn diese Konzession verlangen &. | erhalten werde.
Die abgewichene Sitzung war nicht gerade reich an Resultaten; aber die sachlichen Bescheidungen sind dennoch im Ganzen erfreulich &. es ist wohl auch ein gutes Zeichen, daß das Bedürfniß größerer Einigung erwacht &. zum Durch-bruch gekommen ist.
Kern befindet sich noch hier; er hat ein Stück Ruhr (zwar ohne brechen); er hat sich auf einem Aus-flug nach Interlaken erkältet. Er meint, Du sollest dort zuerst im Hotel des Alpes absteigen, wo auch eine Pension sei. Die Pension Ritchard sei stets sehr überfüllt &. vielleicht gefalle Dir die Gesellschaft (theilweise auch aus Zürchern bestehend) nicht. Vom Hotel des Alpes aus könnest Du Dir das Passendste selbst suchen; es sei eben der Gesellschaft wegen schwer, sich zum Voraus zu entscheiden. Die Berner, die ich angefragt, stimmen da-mit ziemlich überein.
Ich hoffte, Dich zwar noch in Baden zu tref-fen; allein wahrscheinlich komme ich erst Sonntags dahin, | indem ich Fr. H. nicht wohl allein hier lassen kann.
Hr. v. Dusch, der gestern nochmals bei mir war, bat mich, Dich zu ersuchen, direkt od. durch mich ihn wissen zu las-sen, wo er Dich bestimmt zu treffen im Stande wäre, nicht um etwas abzuschließen, sondern nur um eine kleine ein-leitende Verhandlung mit Dir zu pflegen &. um es möglich zu machen, daß die bezeichneten Experten Zimmer &. Keller etwa bis im September zu einer Konferenz zugezogen werden könnten. Er sagte mir nochmals, daß der Geldpunkt (d. h.. die Beschaffung des Geldes zum Bau) das geringste Hindernis wäre.
Und nun zum Schluß noch einige Dir sicher interessante Notizzen über meinen Schützling. Du stehst da sehr gut angeschrieben; ich erfahre immer mehr Detail von der Scene in Baden, wie Du sie über No 1. bekomplimentirt, ihr dann den Platz verschafft habest &. s. f. – von der Empfehlung an einen Herrn Pfarrer gar nicht zu sprechen. Fr. H. ist mir wirklich eine liebenswürdige Erscheinung; ich bin ihr gegenwärtig in reinster Freundschaft ergeben. Gestern | Abend ist ihre Mutter hier angekommen; – eine höchst respektable Matrone. Diesen Abend kommt auch noch ihr junger Bruder. In der Probe sang sie gestern prächtig; der alte Latour sogar war entzückt &. drückte sich aus: «Sie haben uns da eine Blüthe gebracht, das andere ist daneben welk».
In unsere parlament. Verhandlungen hat Fr. H. be-deutsam eingegriffen. Daß sie die Aufmerksamkeit der Räthe sehr in Anspruch genommen, wirst Du begreifen; aber es passirte noch etwas Heitereres. Ich hatte sie gerade abgeholt, um ihr die Räthe zu zeigen &. kam dergestalt etwa 1. Mi-nute zu spät zur Abstimmung über die Motion Weder. Ich hätte dazu gestimmt, weniger aus Ueberzeugung, als um nicht den Anschein von Rache zu haben. Da ich nicht da war, so wurde die Motion verworfen. Es kursirt nun der Witz: «Der schöne Aargau habe St. Gallen besiegt»; «Fr. H. koste St. Gallen 100,000 Fr.»
Doch ich ende; ich soll aus eben ertheiltem spez. Befehle der Fr. H. Dich von ihr grüßen. Mein Gruß erscheint daneben so matt, daß ich mich nur zeichne
als Dein
J. Dubs.