Bern den 7 Oct. 1853.
Mein l. Freund!
In heutiger Sitzung wurde die Lukmanier bahn debattirt. Weitläufiger Vortrag des Militair Departements1 gegen die Concession aus Militairischen Rücksichten! –2 Soll ich Dir diesen Vortrag copiren lassen? – Ich habe Franscini3 seit langem nicht so wüthend plaidiren gehört, wie gegen diesen Vortrag des Militair Departements. – Hierauf folgte eine Strafrede rückwärts gegen Tessin geschleudert, worin sich unverholen der westliche Verdruß kund gab, daß Tessin es gewagt habe, die Concession zu ertheilen.4 – Im übrigen war die Debatte kurz u der Beschluß des Bundesrath genehmigt die Concession.
Herzlich grüßend
Dein
J. Furrer
Volante calamo;5 die Sitzung ist aus u es ist bald 5 Uhr. Meine Kleinen6 bey Hause schreien nach Brod.
Kommentareinträge
1 Ulrich Ochsenbein (1811–1890), Bundesrat (BE), Vorsteher des Militärdepartements.
2 Vgl. Prot. BR, 7. Oktober 1853.
3 Stefano Franscini (1796–1857), Bundesrat (TI), Vorsteher des Departements des Innern.
4Der Tessiner Grosse Rat hatte die Lukmanierkonzession am 15. September 1853 mit 91 zu 11 Stimmen bewilligt. Vgl. Processi verbali del Gran Consiglio, 15. September 1853 (S. 87); Georg Joseph Sidler an Alfred Escher, 11. September 1853, Fussnote 8; Escher und die Ostalpenbahnfrage, Absatz 15.
5Volante calamo (lat.): mit fliegender Schreibfeder.
6Gemeint sind wohl die jüngeren der fünf zwischen 1835 und 1849 geborenen Kinder Furrers. Vgl. Dejung/Stähli/Ganz, Furrer, S. 15.