Berne den 27 Mai 1850.
Lieber Freund!
Ich verdanke dir bestens die einläßliche Nachricht über das mir allerdings sehr unerwartete Wahlergebniß; nicht minder verdanke ich Dir deine Bemühungen, um ein andres Resultat zu erzielen. Es ist natürlich schwer, alle Faktoren, welche mitge wirkt haben, klar zu durchschauen u bestimmte Behauptungen fest zuhalten. Denn wer will wissen, welche halbe u viertels u zehntels Motive die Hand führen halfen, als die fatalen Stimmzettel geschrieben wurden. Immerhin hatte ich bis anhin die Idee, daß die liberale Mehrheit des Großen Raths zu ausschließlich seyn wollte in ein einem Moment, wo das conservative Element in demselben sich ge rade verstärkt hatte u auf eine angemeßne Stellvertretung im Reg.Rathe Anspruch machte. Gewiß viele, wie Fierz u sein Anhang, wollten Ed. S. beybehalten u hätten dann es nicht übers Gewissen bringen können, den M. S. herauszuwerfen. Allein die Mehrheit wollte den erstern wegschaffen; das erreichte sie allerdings, allein dafür hat sie nun den Wild. Was ist nun gewonnen? - Die liberale Parthei hat nicht mehr die einzig mögliche Satisfaction u Entschul digung, sagen zu können, daß sie kein Mitglied der September-| Regierung gewollt habe. Ich glaube, die einzige Möglichkeit M. zu retten, war die, den E. rechtzeitig nicht erst zuletzt zu wählen. Diesen wollte man aber nicht u die Nemesis der Ausschließung folgte auf dem Fuß nach. Indeß nützt es nichts, hierüber nachträglich zu rechten. Lassen wir die Sache im Frieden auf sich beruhen u trachten wir, dem am schwersten Betroffnen beförderlich auf geeignete Weise einen Ersatz zu ver schaffen. –
Nächsten Samstag gedenke ich meinen Urlaub anzutreten; allein der Arzt hat mir erklärt, ich müße reisen u nicht an einen bestimmten Ort hin sitzen. Nach Zürich ginge ich jetzt am allerwenigsten, so oft ich mich schon darnach gesehnt habe; denn ich will jetzt weit weg von allem Politisiren, das ich gegenwärtig in Zürich viel betreiben müßte u zwar nicht ohne Verdruß. Ich danke dir recht sehr für deine freundschaftliche Einladung. Ich muß das weite suchen u gedenke, das südliche Frankreich u vielleicht auch Sardinien (d. h. Piemont) zu besuchen. Wenn du nur Zeit fändest, mitzukommen! – Du weißt ich habe auch sehr viel zu thun – allein jetzt kann ich unmöglich mehr; ich bedarf nothwendig eines neuen Aufschwungs.
Lebe wohl! Grüße mir Deine verehrte Familie u unsre Freunde!
Dein
F J