Hochgeachteter Herr Präsident!
Hier hat der Sonderbund gestern wieder total gesiegt & die Eidgenössische-Parthei ist geschlagen worden. Jauch1, Muheim2, Arnold3 & ich sind entfernt & auch Statthalter Muheim4 sollte ebenfalls entfernet werden, allein weil er Statthalter war & die Macht der Gewohnheiten bei unserem Volke groß ist, so lies man ihn avanziren obschon die Häuptlinge gegen ihn redeten. An unsere Plätze wurden gewählt Ingenier alt R.R. Müller5 alt Landammann Schmid6 & – der rasende Vinzens Müller7! O wie gerne hätte ich Sie hier gehabt, damit Sie sich von der Verdorbenheit dieser Sonderbündler hätten überzeugen können. Schmid sagte unter anderm: Machet mich nichts den noch schwebt ja der sogenante Hochverrathsprozeß8 über mich, der aber wahrscheinlich bis am jüngsten Tag dauern wird &sw. Ferner sagte er: «Ja liebe Landleute wir leben in bößen Zeiten & sind leider nicht mehr frei seit dem man uns eine Eidgenössische-Verfassung aufgedrungen hat die blos auf Bajonetten ruth &s. w.» Im gleichen Sinne sprachen Vinzens & Ingenier Müller, indem sie über den Hochverrathsprozes spotteten & gegen die Liberalen arg loszogen. Jauch suchte ihnen mit Ruhe zuentgegnen, allein es half nichts, sondern wurde nur ärger & als Arnold reden wollte so schrien Einige: mer wend schnide schnide, so zwar daß ich's für gut fand nichts zusagen! – | Ja Verehrtester! es wurde so leidenschaftlich geredet, daß, wenn wir Liberalen auch nur 200 a 300 Mann stark geweßen wären, es ganz gewiß Streit abgesetzt hätte, allein wir sind gar zu schwach & von Ursern war leider Niemand da, die Ursner sind halt so komode Leute die für den Liberalißmus nichts thuen wollen als Protestationen schreiben! Sie schaden sich & uns durch ihr tolles Benehmen. –
Wehmüthig ist es für den Patrioten, daß das arme Volk sich nach allen gemachten Erfahrungen nun schon wieder irre führen läßt & die Männer an das Ruder stellt, welche ihns doch ins Verderben führten. Aber auch die Eidgenossen mögen es sich merken, das man mit Güte nichts gewint bei diesen verstokten Menschen in denen noch immer der alte Stolz & die alten Hoffnungen leben.
Empfangen Sie den innigsten Dank für Ihren Antrag, betreffend die Zentralisation der Strafrechtspflege, ohne welche wir arme Parias sein werden. Möchten doch die Eidgenossen sich unser erbarmen & Ihrem Antrag kräftig unterstützen.
Wie ist es in Bern gegangen? So Gott will gut, sonst erbarme sich Gott über das theure Vaterland, den ich fürchte, in diesem Falle einen 2t. Sonderbund. Genehmigen Sie inzwischen die Versicherung meiner tiefsten Hochachtung, mit welcher stets geharret
Ihr dankbarster Dr.
Lusser
Alt R.R.
Altdorf d. 6t. Mai 1850.
Kommentareinträge
1 Franz Jauch (1807–1867), Regierungsrat (UR), Mitglied des Bundesgerichts. – Jauch wurde am 5. Mai 1850 von der Urner Landsgemeinde als Regierungsrat nicht wiedergewählt. Vgl. zu dieser und den folgenden (Nicht-)Wahlen Luzerner Zeitung, 7. Mai 1850, 14. Mai 1850; Staatsetat UR 1849/50, S. 25; Staatsetat UR, 1850–1852, S. 23.
2 Karl Muheim (1800–1867), Regierungsrat, alt Landammann (UR).
3 Johann Arnold (1801–1866), Regierungsrat (UR). – Arnold wurde am 5. Mai 1850 von der Urner Landsgemeinde als Regierungsrat nicht wiedergewählt.
4 Alexander Muheim (1809–1867), Landesstatthalter (UR). – Muheim wurde am 5. Mai 1850 von der Urner Landsgemeinde als Regierungsrat bestätigt und zum Landammann gewählt.
5 Karl Emanuel Müller (1804–1869), Ingenieur. – Müller wurde am 5. Mai 1850 von der Urner Landsgemeinde in den Regierungsrat und zum Landesstatthalter gewählt.
6 Anton Schmid (1792–1880), alt Landammann (UR). – Schmid wurde am 5. Mai 1850 von der Urner Landsgemeinde in den Regierungsrat und zum Pannerherrn gewählt.
7 Vinzenz Müller (1812–1871), Rentier, alt Landammann (UR). – Müller wurde am 5. Mai 1850 von der Urner Landsgemeinde in den Regierungsrat und zum Landeshauptmann gewählt.
8Gemeint ist der Landesverratsprozess gegen die Mitglieder und Beamten des Kriegsrats des Sonderbundes. Josef Lusser an Alfred Escher, 7. Mai 1849.