Hochgeachteter Herr Bürgermeister!
Verzeihen Sie, wenn ich mir die Freiheit nehme Ihnen wieder einmal mit einigen Zeilen beschwerlich zufallen. Stets achtete ich Sie hoch, aber viel höcher achte ich Sie, seit dem ich das Vergnügen habe, Sie Titul! persönlich zu kennen & ich kann daher nicht umhin, Ihnen zuberichten, wie es hier in politischer Beziehung dato steht, indem Sie als wahrer Patriot, gewiß regen Antheil am Geschicke der Urkantone nehmen & sich namendlich auch um Ihre Verehrer interessiren werden!
Seit dem unglücklichen Außgange des Badischen Kampfes & dem daherigen Ankücken der Preußen , tragen unsere Sonderbündler ihre Köpfe sehr hoch, & im Taumel der Freude laßen sie öfters Worte fallen, auf die man achten muß. So z. B. sagte Herr alt R.R. Ingenieur Müller unlängst: Jetzt kömmts nach & nach wieder ins alte Geleise, & in kurzer Zeit sind die Jesuiten wieder in ganz Oesterreich & so giebt sich die Sache wieder überal, wenn der abnehmende revolutions Sturm vorbey gebraußt ist!- | Im Regierungsrath hatten wir letzten Montag wegen dem Flüchtlingswesen eine heftige Debatte, wo man Herrn Jauch & mir gerade zu vorwarf: unsere Parthei habe das Gesindel in die Schweiz gelokt & man werde erfahren welch Unglück derwegen über die Schweiz kommen werde &s. w. worauf wir entgegneten. Das sei unwahr, indessen müße die Schweiz als wahre Republick den armen Verjagten das Asyl gewähren, zudem haben uns ja die Herrn Sonder bündler seiner Zeit auch Fremde ins Land loken wollen, & zwar die Feinde der Freiheit &sw. In diesem scheinbar unwichtigen Zimmer-Kampf, liegt aber doch noch eine tiefere Bedeutung, auf die ich Sie aufmerksam zumachen, mich für verpflichtet finde. Könnten die Sonderbündler, welche ganz bestimt im Solde des Außlandes gestanden, & wahrscheinlich noch stehen, nicht folgenden Plan haben? Die Alliirten sammeln sich an der Gränze der Schweiz, wie dieses geschähen, so kommen Noten von allen Seiten, welche die Flüchtlinge & ihre Waffen reklamiren, die ihnen aber vom h. Bundesrathe nicht gegeben werden. Hierauf werden die Noten verstärkt & die innere Reaktion wird thätiger werden. Die Leute gerathen in Bangigkeit, welche von den Conservativen vermehrt & – benützt | werden wird. Und auf diese Art könnten möglicher Weise traurige Emeuten im theuren Vaterlande entstehen, wodurch an vielen Orten Regierunges veränderungen statt haben würden & so die Con servativen in allen Behörden des gesammten Vaterlandes die Oberhand zuerhalten im Stande wären? Das ist nun meine größte Besorgniß, die ich Ihnen mitzutheilen für gut fand. Ver zeihen Sie mir indessen, wenn ich Sie durch diese vertrauliche Gedankenmittheilung einen Augenblick hingehalten habe, denn eine innere Stimme spornede mich zu dieser Mittheilung an. Vielleicht kommt Ihnen dieselbe etwas kindisch vor. Allein ich für mich, der ich von Aristokraten stets umgeben bin & daher oft Aeserungen höre, die Sie gewiß nicht mehr hören kann von den Sonderbündlern nichts Gutes sondern nur böses erwarten, da ja diese Leute stets die alten Freunde Oesterreichs sind & sich nie mit dem wirklichen politischen Zustande in der Eidgenossenschaft befreunden werden. Daher bedaure ich die all zu starke Versöhnungssucht der | N. Z. Zeitung & mehrerer edeldenkenden Eidgenossen. Den mit den Sonderbündlern, die so elend sind, daß so schöne Schützenfest, eine radikale Komedie, ein Parteifest & dergleichen zu nennen; mit diesen Menschen ist in Ewigkeit keine wahre Versöhnung möglich. Sagen sie es ja selbst, daß sich das Gute nie mit dem Bößen versöhnen könne, & sie halten sich einzig für gut, uns aber für böße, daher nur nicht auf Versöhnung mit diesen Menschen gehofft. Noch am letzten Sonntag bezeichnete der Pfarrer von hier die jetzige Lage der Schweiz für eine Unglückliche! & die Liberalen für falsche Propheten. Im Interesse der Freiheit wünschte ich, (rechnen Sie mir dieser Wunsch nicht zur Unbescheidenheit an,) daß die in Hier & den andern Urkantonen viel gelesene N.Z.Z. etwas liberaler wäre, & sich weniger mit anderen liberalen, (nicht ultra radikalen) Blättern herumbalgte, denn unsere Feinde freuen sich dieses Haders recht sehr, indem sie darin der Untergang des Liberalen-Systems in der Schweiz erblicken. Nur den Feinden nie geschmeichelt sonst ist man verloren! –– Ich habe Sie zulange aufgehalten, verzeihen Sie Titul! Und haben Sie die Güte mich einmal mit einer Antwort zubeehren. In dieser angenehmen Hoffnung zeichnet Achtungsvoll Ihr, Sie hochschätzender
Lusser
R.R.
Altdorf d. 18t. July 1849
Herr Jauch , der meine Ansichten theilt, läßt Sie recht herzlich grüßen. Ach kommen Sie einmal zu uns nach Uri.