Lieber Freund!
Gestern übergab ich dem Hrn Amtskläger Zingg v. St Gallen einige Zeilen an dich, um den trefflichen Mann dir zu empfehlen. Da er aber sich entschloß, einen Umweg durchs Oberland zu machen, so wird er ver muthlich erst in einigen Tagen nach Zürich kommen - Inzwischen veranlast mich ein andrer Umstand, vorher noch dir zu schreiben.
Meine Frau meldet mir nämlich, daß sie mit dir wegen Fries gesprochen u was deine Meynung sey. – Wenn ich dazu mitwirken kann, ihn zu versetzen, damit ich einen andern Weibel erhalte, so will ich es sehr gerne, nicht weil er in Zürich seinen Dienst nicht ordentlich versehn hätte, sondern weil er mir persönlich zuwider ist u jetzt noch mehr meiner Frau. – Eine andre Frage ist das Absetzen. Auf Grundlage der hießigen Vorfälle ist dieses nicht möglich; denn abgesehen von deren Importanz habe ich ihn dafür hart genug bestraft u ihm beym Abschied versprochen, ihn deßhalb nicht weiter zu verfolgen. Nun frägt sich freylich, wie er sich seither benehme; er schrieb mir einen Brief, worin er sich bitter beklagte, wie man ihn verläumde u bey mir anschwärze. – Es sollte nun constatirt werden, was Wahres an der Sache ist; denn auf Zuträgereyen feindselig gestimmter Weibel kann man nicht einem Familien Vater sein Brod nehmen. – Ich möchte dich nun bitten, mit Hrn Bollier darüber zu sprechen, ob u auf welche Weise sich etwa sein seitheriges Benehmen, etwaige Schimpfereyen &c. sich constatiren lassen. – Grüße mir zugleich Bollier u die andern Freunde. –
Wir wälzen schon seit zwey Wochen in den Conferenzen den Stein| des Sysiphus, nämlich die Vertagungsfrage, die schwierigste unter allen. Die Vertagung ist außer Zweifel; aber das wie, ob auf unbestimmte oder bestimmte Zeit. – Das erstre bey der jetzigen Sachlage ist im höchsten Grade bedenklich, ist wie ein Rükzug, wirkt deprimirend, erbitternd vielleicht auf die ganze Schweiz u kann Ereignissen rufen welche die Frage mit den Massen u den Vereinen lösen; die zweyte wäre ganz gut, wenn 12 Stimmen dann die hinreichenden Vollmachten erhalten; wäre dieses nicht, wie miserabel stände die Schweiz vor ganz Europa, wenn wir auf einen bestimmten Tag hier eintreffen müßten u dann gar nichts machen könnten. – Nun will St Gallen wirklich nicht zu einer bestimmten Vertagung stimmen u erklärte ganz bestimmt, wenn man diesen Kanton jetzt zwinge den großen Rath zu versammeln, so werden sie dort keine Mehrheit für umfassende Vollmachten erhalten. Und so scheint es wirklich. Vide Weder in der St Galler Zeitung; hingegen Steiger u Zingg geben die Hoffnung nicht auf. – Es wäre mir ange nehm, deine Ansichten hierüber beförderlich zu vernehmen. –
Gestern habe ich in der Conferenz mit aller Energie den Hrn O. vorgeschlagen; man verschob die Berathung über diese Wahlen u sprach sich also noch nicht aus; indeß scheinen manche Gesandtschaften die Billigkeit unsrer Forderung zu begreifen. –
Jetzt muß ich wieder in die Siebner-Commission, wenns schon Sonntag ist. Keine Ruh bey Tag u Nacht, nichts das mir Vergnügen schafft! –
Adieu, mein Lieber! Unsern freundschaftlichen Gruß!
Dein
F
Kommentareinträge
✲Datierung gemäss Briefkontext.