




Chunchetambo. Montaña de Vitoc im Innern Perùs July 1839.
Aus den Urwäldern Perùs
Ich habe lange gezögert, mein inniggeliebter Freund, ehe ich dir Nachricht
von mir gebe, jezt aber will ich es auch nicht mehr länger hinausschieben, denn theils haben zu mannigfache Schiksale & Veränderungen mich
betroffen als daß ich nicht sehr gerne mein Herz vor dir ausschütten möchte theils fordern
die Pflichten der Freundschaft diesen Tribut von mir, den ich auch sehr
gerne erlegen will. Du erlaubst mir hier nur mit wenigen Zeilen meine Reise von Europa nach
Perú zu beschreiben erwähnen, den 27t Februar 1838 verließ der Edmond bei schlechtem Wetter den Hafen von Havre de Grâce &
wurden lange in der Manche zurükgehalten. Die Inseln des grünen Vorgebirges paßierten wir so nahe, daß wir sie leicht sehen konnten & kamen nach
35 Tagen Schiffahrt unter dem Aequator an, wo die gewöhnlichen
Feierlichkeiten statt hatten & ich auch als würdiger Sohn
Neptuns getauft wurde. Wir litten viel von der Hitze, unser Trinkwaßer hatte +29° R. Ich machte fortwährende Temperaturbeobachtungen des Meerwaßers Luft etc. Nun begannen auch Intriguen & Zwist an Bord, die bis
nach Chile fortdauerten & mir die Schiffahrt zum Ekel machten besonders war der franz. Consul dabei betheiligt. Auf der Höhe des Rio de la Plata hatten wir einige Stürme die jedoch weiter von keiner Bedeutung waren. Ich amusierte mich nun Albatrosse
& Sturmvögel mit Angelhaken zu fangen &
zog auch 35 lebende Exemplare Albatross an Bord von
denen einige 12–13' Flugweite hatten. Wir paßierten die Falklandinseln so nahe, daß wir den Eingang der Bay Soledad erkennen
konnten, & umschifften mit ziemlich gutem Wetter
das so sehr gefürchtete Cap Horn in
59½° S. B. & stiegen wieder mit
gutem Wetter den stillen Ocean hinauf, bald
aber wandte sich das Blatt, schlecht Wetter tratt ein das sich, als wir an
der Küste Feuerlands entlang segelten in einen
fürchterlichen Sturm umwandelte, der vom 27t bis 31t May andauerte, deßen ich mich noch
lange erinnern werde, das Schiff nahm einigen Schaden. Deshalb &
vorzüglich weil wir anfingen an Waßer kurz zu komen beschloß der Capitain auf der Insel Chiloë anzulanden. Nach 98 Tagen Schiffahrt liefen wir am
5t Juny 1838 in die Bay von San Carlos ein, wo wir 16 Tage
blieben, Waßer & frische Lebensmittel einnahmen.
Ich blieb die ganze Zeit über an Land & jagte, konnte aber doch
keine Sammlung machen wegen Mangel an Plaz an Bord. Ich dachte damals in kurzem wieder nach Chiloë
zurükzukehren! Nach einer ruhigen Ueberfahrt von 9 Tagen langten wir Ende Junis in Valparaiso an. Hier blieben wir 6 Wochen
liegen theils machte der Capitain gute Geschäfte, theils war eine Zeit lang Hafensperre. Eine Beschreibung
von Valparaiso erläßest mir, so ein
gütiges Geschik es will einmal eine mündliche Erzählung, nur das erwähne
ich hier, daß ich mit klopfendem & ahnungsschwerem Herzen zum erstenmale des neuen Continentes Festland betrat. Während unsers Aufenthaltes in
Valparaiso schiffte sich die
2t Expedition der Chilenen ein um dem Protector
der Confederatio Perú-Boliviana Sta-Cruz den Krieg zu machen es waren etwa 6000 Mann, 11 Kriegs- & [20?]
Transportschiffe. Nach einer 11tägigen Ueberfahrt langten wir den 27t August im Hafen von Callao in Peru an. Hier muß ich nun auf die politischen Begebenheiten, die du der Hauptsache
nach kennen wirst, kommen, denn mein künftiges Schiksal war nun gegen meinen Willen innig an dieselben gebunden. Als wir in Callao ankamen hatte sich schon die Chilen. Armee in Ancon, 5 leguas von Lima ausgeschifft, war auf Lima marschiert & hatte den 21t August diese Stadt
nach kurzem Gefechte eingenommen. Den 29t
August beschloß ich nach Lima zu
gehen, das 3 leguas von Callao
entfernt ist. Da wegen des Krieges weder Pferd noch Wagen zu haben war, so
gingen ich & ein andrer Paßagier zu Fuße nach Lima, obgleich aus der Festung Callao die nochperuanisch war, fortwährend auf die Straße geschoßen wurde
& links & rechts neben uns die
Kanonenkugeln einschlugen. Wir paßierten mehrere peruanische & chilenische Vorposten & langten glüklich
gegen Abend in dem berühmten Lima an in
der Ciudad de los reyes an die sich so
viele denkwürdige Erinnerungen anschließen. Bis zum 16t November blieb ich 14 Tage
abgerechnet die ich an Bord zubrachte immer in Lima. Die Chilenen blieben bis
zum 8t November in dieser Stadt, bei der Annäherung der bolivianischen Armee verließen sie es & zogen sich
nach dem Norden zurük, den 10t November hielt Sta
Cruz mit seinem schönen Heere einen glänzenden Einzug in
Lima, den 13t November kehrte ich nach Callao an Bord zurük & glaubte daß wir in wenigen Tagen nach
Columbia unter Segel gehen werden. Kaum war ich fünf Tage an
Bord, als auch der Capitaine kam & mir erklärte er habe dem Gouvernement sein
Schiff unter günstigen Bedingungen abgetretten, das nun als Corsare ausgerüstet
werden solle, um soviel als möglich den Chil.
Schiffen Schaden zu thun. Ich mußte also in Zeit von 24 Stunden das Schiff
räumen & sah also mit einemal die schönsten Pläne meiner Reise
grausam zernichtet – Ich kehrte nach
Lima zurük, der Edmond & noch ein kleiner
Scooner wurden als Kriegsschiffen ausgerüstet & Mr Blanchet unser erster Steuermann erhielt den Ober-befehl.
Die Corsaren nahmen eine chil. Kriegsbrik
vor Anker, verbrannten 2 Chil. Transportschiffe. Sta Cruz verließ Lima & zog den Chilenen nach, unterdeßen waren die
Corsaren ebenfalls nach N. gesegelt, das
Gouvernement hatte noch 3 Andere dazu gekauft. Im kleinen Hafen von
Casma lieferten sie drei
Chil. Corveten eine Schlacht, unglüklicherweise
wurde gleich beim Beginn derselben Mr Blanchet erschoßen &
die Corsaren entmuthigt & verwirrt ihren
Comandanten fallen zu sehen zogen sich nach ziemlichem Verluste wieder zurük
& brachten Blanchet's Leichnahm nach Lima wo er feierlichst beerdigt
wurden. Am Abende des Begräbnißtages kam Sta. Cruz mit 7 seiner
Officiere athemlos in
Lima angesprengt, sie waren Flüchtlinge, in der Schlacht von Yungai wurde das schöne Heer von Sta. Cruz zerstreut, die Chilenen kämpften wie wüthend& in Verzweiflung denn sie waren in einer Schlucht
eingeschloßen & hatten weder für Menschen noch für Pferde seit 2
Tagen Nahrung. Es blieben in dieser Schlacht vom Hundert immer dreißig.
Welch ein Schlag für Sta Cruz
und seine Parthei, die Schlacht zur See & zu Land total verloren.
Die Chilenen rükten zum
zweitenmale nach Lima, Sta Cruz traf die nöthigen
Vorkehrungen & ging nach den Departementen des Südens, wo ihn bald
die Nachwehen der verlornen Schlacht beinahe gänzlich zermalmten, er mußte
sich an Bord eines engl.
Kriegsschiffes flüchten. Unterdeßen wurden die Corsaren ihren Eigenthümern
zurük-gegeben, die Canonen von Festung Bord in die Festung
zurükgebracht & wie die Chilenen gegen Callao
rükten, flohen die Schiffe in einer Nacht heimlich weg& zogen sich nach Columbia
zurük, der Capitain Chaudière mit dem
Edmond war einer der ersten die sich flüchteten. Hier genug von
Politic & nun wieder auf meine eigene
Lage zurük. Die Direction des Museums von Neuchatel übergab dem Handlungshaus Gaudin in Havre
6000 ffrcs die mir vom Capitaine nach Bedürfniß auf meiner Reise
ausbezahlt werden sollten; in jedem Lande das nöthige in L correnter Landesmünze. Ich
hatte in Chiloë, Valparaiso & Lima schon etwa 1500 ffrcs erhalten, als sich Capt. Chaudière ohne mir Geld
od. Anweisungen auf ein limeñer Handlungshause zu laßen, aus & draus machte.
Denke dir, geliebter Alfred, meine Lage gegen 6000 Stunden von meiner
Heimath, auf einmal in Peru ans Land gesetzt zu werden,
ohne Credit, ohne Geld, ohne Empfehlungsbriefe. Ich hatte noch 6
Piaster (= Thaler) in der Tasche. Was ist das aber in einer Stadt, die vielleicht nebst
New York & Batavia zu den
theuersten auf Erden gehört, wo z. B. ein
paar Stiefen eine halbe Goldunze (= 8½ Thlr.) ein Rok bis auf 60 Thlr &
ein schlecht Mittageßen 4 Real (= ½ Thlr) kostet. Und
doch arbeitete ich mich glüklich aus dieser critischen Lage
heraus. Auf meiner Reise durch Deutschland,
vorzüglich aber durch Holland & Frankreich wo ich so vielfach mit
gereisten Naturforschern zusammenkam wurde ich zu sehr von der Wichtigkeit
überzeugt wie sehr die Medicin in fernen Ländern dem Naturforscher wichtig ⌜nothwendig⌝ sei,
als daß ich mich nicht mit allem Eifer in Holland vorzüglich aber in Paris auf diese Wißenschaft gelegt hätte, ich besuchte täglich chirurgisches
& medicinische Klinicum & Collegium & arbeitete dann erst
gegen 1 Uhr Mittags im Jardin des plantes & schiffte hernach
noch die nöthigsten medic. Werke ein um an Bord
meine Studien fortzusetzen. Schon an Bord hatte ich vielfach Gelegenheit
praktisch meine Kenntniße zu erweitern, sechs Monate war ich allein Arzt auf dem
Edmond & hatte immer 12–15 Kranke & zwar Matrosen & Capitain an dem ekelhaftesten &
gewöhnlichsten Uebel dieser Menschenklaße, nämlich an der venerischen
Krankheit, die von der
einfachsten Form bis zur complicierten lues universalis alle
Stadien durchlief, so daß ich oft Operationen machen mußte die nicht zu den
angenehmsten gehörten. Da ich gerade so gute Gelegenheit hatte so studierte
ich diese Krankheit, Geißel der Menschheit sehr gründlich & machte
in Valparaiso, vorzüglich aber in
Lima einige sehr
schöne Curen. In Lima also ohne
Geld & auf mich allein beschränkt nahm ich die Medicin
wieder zur Hand, praktizierte, war glüklich in meinen Curen & gewann mir dadurch soviel daß ich ganz anständig leben konnte.
Mehrmals machte ich nicht unwichtige Operationen z.
B. Amputation des Armes etc. So blieb ich mehrere Monate in Lima & fragte mich täglich was ich wohl thuen solle, bis
ich den Entschluß faßte ins Innere von Perù zu gehen
& [d...?] dasselbe naturhistorisch zu untersuchen.
Capit. Chaudière sollte mir etwa 4000 ffrcs
noch ausbezahlen war aber flüchtig & konnte nicht rechnen je wieder
nach Peru zu kommen, so lange President Gamarra & die
Chilenen daselbst hausen; was den Anschein
hat lange zu dauern. Ich erhielt Credit bei einem franz. Handlungshause das bedeutende Summen in
Waaren auf Capt. Chaudières Rechnung hatte & welches mir nach
Vorlegung der betreffenden Briefe des Directors des neuschateler
Museums mir die Summe von 300 Thlr. gab, um mich zur
Expedition ins Innere auszurüsten. Hier will ich einen Augenblik ver-weilen, denn du würdest mir vielleicht zürnen, wenn ich so schnell über
Lima weggehen würde, das ich doch
ziemlich kenne denn ich blieb beinahe sechs Monate dort. Lima, die denkwürdige Stadt die mehrere
Jahrhunderte eine so große Rolle spielte, ist noch sehr groß aber jezt schwach bevölkert, es mag etwa 45 000 Einwohner haben &
hatte zur Zeit der Vireys 120 000 doch scheint es
wieder im steigen zu sein. Die Stadt ist äußerst regelmäßig gebaut in
Quartiere abgetheilt gerade wie ein Damenbrett. Die Straßen lauffen in 2 Richtungen parallel
& schneiden so diese Felder mit rechten Winkeln
ab; sie sind schön & breit. Die Häuser beinahe alle nur einstökig
mit Zinnen auf dem Dache & großen grünen Balkonen |
die Gemächer sind hoch, luftig & kühl, einige Häuser
sind prachtvoll & zeigen noch ganz auf den alten spanischen Reichthum & Glanz dem aber der
neuperuanische nicht Stich halten
kann. In der Mitte der Stadt ist die plaza mit einem schönen Brunnen in der Mitte
eine Seite der Plaza nimmt die Cathedral & der erzbischöffliche Palast. Die rechte Seite von
dieser der Palast der ehemaligen Vireys,
jezigen Präsidenten. Die linke Seite ist die Börse und andre öffentliche Gebäude. Die letzte endlich nimmt
die Hauptpolizei od. Rathhaus ein an den letzten beiden
sind Säulengänge, die sogenannten Portales. Kirchen &
Klöster sind in außerordenlicher Menge vorhanden, von erstern zeichnen sich
die Cathedral, San Agustin & Sto Domingo aus.
Die Berge od. Hügel die Lima umgeben sind äußerst kahl doch hat es in der Nähe
einige sehr schöne Fruchtgärten (huertas). Was die Bewohner von Lima betrifft so [laßen?] [diese?] bestehen sie aus allen
möglichen Menschenraßen. Europäer aller
Nationen, dann die eigentlichen Limeñer
Abkömlinge der Spanier, wenige Indier od. Cholos, dann Mestizen, Mulatten, Zambos & Neger letztere
4 bilden die fürchterlichste & verabscheuungswürdigste
Canaille die vielleicht auf Erden existiert. Was die
Limeñer im
besondern & die Peruaner im
allgemeinen anbetrifft, so sind es Männer, ohne Treu & Glauben, ohne
Ehr & Schamgefühl, fähig jeder Niederträchtigkeit
od. Schlechtigkeit; Völlerei, Spiel &
Unzucht in höchstem Grade ergeben. Dieses Urtheil ist schreklich, aber wahr, in meinen Augen steht der Peruaner als Mensch auf
der niedersten Stufe, als Nation ist er verabscheuenswerth. Tausendmal edler, treuer,
wahrer ist derIndier der die
tiefen Urwälder des Innern bewohnt, als dieser faule eingebildete Peruaner, der, obgleich gelb genug, seinen farbigen Mitmenschen schlechter als Vieh
behandelt & ihm so das wenig menschliche das er noch hat entreißt
& ihn völlig zum Thiere macht. So sind denn die unzähligen
freien Neger in Lima
eine gefürchtete Bande die an Unzucht alles übertrifft was ich je gelesen od. gehört habe. Sie haben unt. anderm einen Tanz,
Sama-queca genannt, wobei sie mitten auf der Straße von
hunderten ihresgleichen umgeben die viehischen Gelüste befriedigen – etc. Diese Neger & Zambos sind
gewöhlich auch Straßenräuber & bilden in den
nächsten Umgegenden Limas [...?] sehr gut
berittene Banden die die Wege äußerst unsicher machen & glüklich kann sich der schäzen, der ihnen nie in die Hände fiel. Vom Limeñer der beßern Stände ist die Limeñerin bedeutend verschieden. Meist haben
die Weiber mehr Character, mehr Geist & Herz als
die Männer, sie zeichnen sich in dieser Beziehung vortheilhaft he aus. Einen bedeutenden Fehler
haben sie jedoch, sei es aus Gewohnheit, sei es durchs Clima
hervorgebracht, eine außerordentliche Wohllüstigkeit die bei den niedern Klaßen in
unersättliche Geilheit ausartet. Diese verbunden mit einer fürchterlichen
Geldgier stempelt die die Frauen &
Mädchen des Mittelstandes & der untern Klaße zu H..... Daher finden sich in Lima diese Mädchen in größerer Anzahl verhältnißmäßig als
in irgend einer andern Stadt der Erde Paris & London nicht ausgenommen.
Wie verworfen & viehisch diese Geschöpfe aber sind
wirst du mir auf mein Wort glauben, ohne daß ich erst Beispiele anzuführen brauche. Kurz in
Lima wird dieses Gewerbe bis auf
eine Stufe getrieben, wie weder Frankreichs noch
Englands größte Städte Beispiele aufweisen können.
– Die Frauen von Lima haben eine ganz
eigenthümliche Tracht (die ihnen ihren clandestinen
Liebescomerz ungeheuer erleichtert), ein schwarzer, grüner, blauer od. brauner faltiger Oberrok geht bis an den Gürtel. Der Oberrok hatte eine große Menge sehr feiner Längs-Falten &
ist entweder oben ganz eng über den Hüften & weit unten od ganz enge anliegend am ganzen Körper so daß der Hintern die Kniee etc ganz deutlich ihre Umriße
zeigen; er heißt Saya; das zweite Stük dieser originellen Kleidung ist die
Manta, ein schwarz seidenes Tuch, das um den Gürtel gebunden
wird & von hinten über den Kopf gezogen wird & damit kann nun das ganze Gesicht bedekt werden um zu sehen bleibt ein
dreiekiges Loch offen ∇ gewöhnlich für das linke Auge, wenn man eine so
bekleidete Limeñerin sieht, so kann man
weiter nichts als das große schwarze feurige Auge &
ein Stük blendendweiße Haut sehen. Mit dieser Tracht spricht am hellen Tage auf offner
Straße eine Dame mit ihrem Geliebten, während keine [8?]
Schritte davon ihr Ehemann vorbeigeht ohne seine treue Ehehälfte so nahe zu ahnen. Die
Limeñerinen treiben mit einem Worte
in diesem für sie so günstigen
Costume solche
Intriguen & zwar auf der Straße daß man sich schwer eine
Idee davon macht – ein peruanisches Sprüchwort sagt sehr
war Lima
ist der Himmel der Frauen, das Fegefeuer der Ehemänner & die Hölle der Esel. Auch dies letztere ist wieder sehr wahr; obgleich die Esel
sehr schön & stark sind so werden sie doch
fürchterlich maltraitiert. Sie müßen in ganz
Lima das Waßer herumtragen, & die Neger, ihre Treiber, mehr Thier als das arme Vieh selbst reißen ihnen Stüke Fleisch aus dem Leibe & behandeln
sie schändlich etc. Genug mit dieser kurzen
Scize & ich komme wieder auf mich selbst zurük. Als ich nach Lima kam
hatte ich nicht mehr als einen Empfehlungsbrief & blieb lange ganz
fremde. Ich lernte jedoch nach & nach einige Deutsche kennen derren Umgang mir sehr angenehm
war. Ich möchte sagen die Deutschen in Lima sind beinahe alle Anglo-germain;
Norddeutsche die sich ganz nach engl. Schnitte gebildet & mehr englisch als deutsch sprechen, es kommt daher weil beinahe alle
Comis od. Geschäftsführer englischer Handlungshäuser sind, welche unter allen
Häusern in Lima den ersten Rang einnehmen.
Ich war fünf Wochen in Miraflores ½ leguas von Lima auf dem
Lande, mit der kranken Gattin eines Hamburger Kaufmannes, deßen Freundschaft mir sehr angenehm ist. Sie ist Limeñerin & hat erst 19
Jahre & litt an einer sehr gefährlichen
Gebährmutterkrankheit, Folge einer Geburt; sie wurde von den Landesärzten aufgegeben & als ich sie zum erstenmale sah war sie dem Tode nahe.
Ich übernahm ihre Behandlung ⌜& hatte die Freude⌝, sie in in kurzem außer Gefahr & bald hernach
gänzlich hergestellt zu sehen. Als die Chilenen zum zweitenmale gegen
Lima rükten kehrte auch ich wieder zurük. Die Peruaner wütheten gegen die Fremden, die sie als Ursache
des Krieges betrachteten & am 14t Februar wollten sie in Lima die sicilianische Vesper wiederholen, & schlugen
an alle Mauern & Straßeneken Aufforderungen zu einem allge-meinen Blutbade, die Zambos & Neger hatten
eine höllische Freude & warteten auf einen Wink von oben, auch ohne
diesen verwundeten sie mehrere am Abende des 14ten. Du wirst dir meine Lage nicht als die angenehmste
vorstellen jeden Augenblick das wilde Geschrei einer blutdürstenden Menge zu hören. Furcht vor den englischen, französischen & nordamerikanischen Kriegsschiffen im
Hafen von Callao hielt den Ausbruch
dieser Excesse zurük. Bald aber sollte ich auf eine andere Art
unangenehm berührt werden. Das Clima von Lima ist nemlich äußerst ungesund, Wechselfieber, Dissenterie & Angina sind in den Sommermonaten die
herrschenden Krankheiten, auch ich mußte der Natur den Tribut der Acclimatisation
bezahlen, ich fiel an einer heftigen
Angina (Halsentzündung)
darnieder. Ohne Abwart, ohne Freunde, ohne Speise, mein eigener Arzt, blieb ich so einige
Tage in einer critischen Lage. O mein theurer Alfred wie oft
dachte ich da meiner lieben Mutter & wie oft auch deiner, wie treulich liebevoll besorgt kamst du immer zu
mir
[...?] wenn ich unwohl war, als wir noch beieinander waren! & jezt in fremdem Weltheile unter wildfremden
Menschen von einem alten Neger abhängig, der täglich einmal in mein Zimmer
kam. – Welch' ein Unterschied! – ) Nach einigen Tagen erhielt ich endlich liebevolle Hülfe
von einer Dame deren Töchterchen ich behandelte &
die ängstlich wegen meiner Abwesenheit zu mir schikte. Von nun an war ich geborgen, Speise
& Pflege felhte mir
nicht & ich segnete dankbar die Hand die mir so zeitgelegen
hülfreich beistand. Täglich besuchte ich diese Familie, die einen wahren
Schaz in der ältesten Tochter, einem Mädchen von 18 Jahren, einschloß. Ihr
Character so ganz das Gegentheil der Peruanerinnen, so offen & rein ihre
Gesichts Züge so sehr mich an das ferne theure Vaterland erinnernd;
da ich gewaltsam eine Neigung unterdrükte die weder mir noch ihr frommen
konnte; du kennst mich zu gut, mein Alfred, als daß du etwa glaubtest, daß ich zu leicht
liebele, weit entfernt, ich ehre achte & liebe, das
Wahre, Offene & Treue wo ich es finde & jezt
in den tiefen Urwäldern vergraben sozusagen: unter Larven die einzige fühlende Brust ( Schiller ) mir von himmelhohen Bäumen
umgeben & ganz auf meine Reflexionen beschränkt weide ich mich noch
gerne mit dankbaren Gefühlen an der Erinnerung eines
schönen Bildes; das mich jezt ebenso schön & rein vor Augen steht wie damals! – Nach 3 Wochen war ich wieder hergestellt
& – nun in Peru eingebürgert. Sehr selten trifft eine andere Krankheit den, der mit einer gut
den Zoll bezahlt hat. – Ich dachte nun ernstlich an meine Reise in die
Urwälder & wollte anfangs ganz allein gehen; da sich aber
Gelegenheit zeigte einen jungen Mann mitzunehmen der mir von Nuzen sein
konnte so versäumte ich es nicht. Es ist dies nämlich ein 24jähriger Preuße der als Matrose an Bord des preuß. Seehandlungsschiffes Prinzeß
Luise nach Peru kam & dann mit
dem 2t Steuermann des nämlichen Schiffes eine Reise ins Innere
machte wo letztrer nun 5 Monate blieb. Da dieser junge Matrose, er heißt Eduard Klee, gut schießt & einen sanften Character
hat, auch nicht ganz ohne Bildung ist, sondern im Gegentheile sich sehr
vortheilhaft vor den übrigen seines Standes auszeichnet, so nahm ich ihn gerne mit, was ich
bis jezt noch nicht bereute. Ich kaufte mir nun die noch fehlenden
Gegenstände ein, besonders 2 Pferde, versah mich mit 15 ℔ Pulver, 80 ℔ Blei Arsenikseife,
Insektennadeln &ct. Hier will ich nicht
unerwähnt laßen, daß ich von Lima eine
Kiste mit Naturalien nach Neuchatel sandte. Nachdem ich die nöthigen Vorkehrungen getroffen, in die Schweiz geschrieben & meine meisten Effecten in
Lima nebst meinem Testamente gelaßen
hatte, so tratt ich am 14t Maerz
1839 meine [... ...?] Reise an.
Wahrscheinlich intressirt es dich mir dabei zu folgen. Ich schikte Abends vorher 4 Ladungen
von Lima, die meine Reise-bedürfniße enthielten. Die ersten Tage reiste ich meist Nachts, theils wegen
der unerträglichen Sommerhitze der Küste, theils wegen der Montoneros (Straßenräuber), die nur Tags ihr Unwesen treiben, da sich Nachts gewiß kein
Peruaner auf die Straße begiebt. Ich hatte
meine Doppelflinte auf dem Sattelknopf & mein
Jagdmeßer um den Gürtel geschnallt. Mein nächster Zwek war die Cordilleren zu überschreiten & sezte meinen Weg |
in östlicher
Richtung fort schon nach der ersten Tagereise fängt der Weg allmählich an zu steigen & geht so durch eine enge Bergschlucht dem Rimac entlang auf einem fürchterlich
schlechten Wege längs Abgründen durch Felsthore & über Bergrüken,
auf bis zum Fuß der Anden. Auf diesem Wege hatte ich
schon Unglük an einer gefährlichen Stelle stürzt eines meiner Lastthiere mit
seiner ganzen Ladung in den Abgrund & wurde spurlos vom Fluße
verschlungen & leider war es gerade meine
werthvollste Ladung; außer meinen anatomischen & chirurg. Instrumenten, enthielt sie eine werthvolle
Handapotheke, Bücher, meine besten Kleider & – ein
unersezlicher Verlust – alle meine Manuscripte worunter mein Tagebuch, das ich seit
19 Monaten treulich geführt hatte & mir beinahe Thränen kostete. Auch dich betraf das Ungeschik, bei meinen MS. lagen nämlich 3 Bogen eines Briefes den ich an
dich im Merz 1838 anfing zu schreiben & worin ich ausführlich dir alles mittheilte was hier nur leicht berührt ist. Als ich von Lima weg gieng hatte ich nicht mehr als 44 Thlr. Geld bei mir, denke dir diese kleine Summe bei
einem [so?] bedeutenden Verluste, aber ich verlor den Muth nicht & doch kam ein ander Mißgeschik kurz darauf. Am Fuße der Cordilleren erkrankte plözlich eines meiner Pferde an der Veta, das ist nämlich eine Krankheit, die Thiere
& Menschen in den Cordilleren leicht betrifft, die leichte Luft verbunden mit den gasigen Ausdünstungen gewißer Mineralvenen beschleunigen die Circulation
des Blutes & vermehren seinen Andrang nach dem Gehirne & bewirken apoplectische Zufälle. Ein Thier
von dieser Krankheit ergriffen ist sozusagen für den Weg unbrauchbar, indem es jede 20
Schritte umstürzt. In einer Gegend wo keine Thiere zu erhalten sind,
begegnete dieser unangenehme Zufall gerade mir dem sonst schon von Mißgeschik getroffenen
& wenn ich nicht ganz zufällig mein krankes Pferd
für ein altes schlechtes Maulthier hätte eintauschen können, ich wäre übel gestanden; so
konnte ich doch den Weg fortsetzen. Das Reisen im Innern von
Peru ist unangenehm &
beschwerlich, so muß man immer all sein Eßen für 5–7 Tage in Futtersäken, die über den
Sattel hängen mitnehmen. Wenn man Abends in ein Indierdorf kömmt, so findet man wohl ein Obdach & Feuer allenfalls aber zu Eßen nichts. Die Schlafstelle ist einfach: die
Satteldeken bilden die Matraze, Mantelsak Kopfkißen & die Ponchos eine Art Shwals die
jeder beim Reiten umhängt & von denen jeder Reisende 2–3 mit sich
führt, sind die Deken. Wie man von der Küste gegens Gebirge hin kömmt nimt
die Temperatur ab & die letzte Tagereise h wehte uns der Schnee
unangenehm ins Gesicht. Die Nacht war kalt das Thermom. etwa –3° R. Die Tagereise über den Cordilleren rüken
ist die sauerste, der Paß über den ich ging liegt ungefähr 13 000' S. M.. Die Luft ist kalt aber rein & leicht, so sehr oft daß man keine 8 Schritte gehen kann ohne stille zu stehen
& Luft zu schöpfen, weil man jeden Augenblik
glaubt die Respiration zu verlieren, besonders wenn man in die Gegenden kömmt wo
Mineralvenen sind, glaubt man kaum noch Luft schnappen können. Wir ritten
etwa 3 leguas über Schneefelder, die hier dem Auge weher thuen, als bei uns
überhaupt muß man sich sehr einwikeln indem Lippen & Haut bei einiger Unachtsamkeit gleich aufspringen &
hernach sehr schmerzen. Mit einem wahren Wonnegefühl hielt ich auf dem Gipfel mein Thier an & betrachtete noch einmal meine
Umgebungen & ich sah nach Westen hin auch den eben zurükgelegten
Weg [... ?]-[...?][nach?] ⌜& dachte an⌝ Lima & meinen
dortigen Aufenthalt & dann nach Osten hin, wo mich meine Bestimmung
hinrief & ließ dann seitwärts ein wenig mehr nach Norden hin meine
Blike schweifen dorthin wo mein theures Vaterland liegt & dann zogen Bilder der Vergangenheit an meinem Geiste vorüber und vor mir standen
als helle Lichtgestalten alle meine Lieben von denen mich ein fast
unermeßlicher Raum trennte & in finsterm Schleier lag die Zukunft
vor mir & nur düstre Ahnungen durchschauerten mein
Inneres & mein Herz war voll & es lag mit
Centerschwere der Augenblik auf ihm. Ich verlebte einen jener Momente, die du
mein Alfred auch kennst, sie laßen sich nicht mit der Feder beschreiben,
ein fühlend Herz versteht sie durch Andeutung. Rings umgaben mich Schneefelder & nur wenige hundert Fuß über meinem Standpunkt
erhabene Kuppen mit ihrer ewigen Eisdeke zeigten, daß ich oben auf der Riesenkette der südamerikanischen Anden stehe. Der Weg war mit Knochen von Pferden, Maulthieren
& Eseln bestreut, ein trauriges Memento mori für die müden Lastthiere,
die zu Hunderten jährlich der Härte des Klimas & des Weges unterliegen. Pfeiffend flohen bei unsern Annäherungen Heerden von
Vicuñas & kreischend & zürnend
verließ der aufgeschrekte Herrscher der
Cordilleren, der mächtige Condor seinen Fraß
& kreiste drohend über unsre Häupter – Als wir aus
der Schneegränze [...?] hinunterstiegen & in die Puna
gelangten, (Puna entspricht der obren Alpenregion, dem obren Stafel bei uns mit dem Unterschiede, daß sie bis
zu 10 000' hinauf reicht.) sahen wir links bedeutende Goldminen liegen
& begegneten Schaaren von Lamas, die mit lang
vorgestrektem Halse mit ihren Ladungen Mineralien an uns vorbei zogen. Gegen Abend desselben Tages umwölkte sich der hintere Himmel &
bald entlud sich das verderben-drohende Gewitter. Ich habe in Europa auf Bergen & in Thälern Gewitter erlebt, ich habe sie zur See gesehen, daß alle Rippen des Schiffes krachten
& erlebte solche im Urwalde daß die ältesten Bäume erzitterten,
ein fürchterlichers aber als jenes in der Puna nie. Solch ein
Gewitter gehört zu den schreklichsten Naturereignißen, die ich kenne. Mehr als eine halbe
Stunde stand der Himmel in Feuer. Der Zwischenraum zwischen jedem
Blizschlag zerschmolz in ein Nichts & das blendende Feuer hüllte
Mann & Roß ein, & der schrekliche nie
aufhörende Donner com-pletierte das grause Naturspiel. Ich war
darauf gefaßt hier unterzugehen, meine Doppelflinte vor mir war ein zu günstiger
Blizabzieher. Mit Resignation stekte ich meine rechte Hand in die
Brust & hielt die Flinte mit der Linken weit weg vom Körper, damit
ich wenigstens ein entbehrliches Glied im glüklichsten Falle verliere. Finster
schweigend ritt ich so fort & nur von Zeit zu Zeit kräftig mein
Pferd zusammenraffend, das bei jeder erneuten Blizesgewalt & wie von der Nähe der Gefahr gedrängt sein Heil im
Fliehen suchen wollte. Nach einer unendlichen langen halben Stunde löste sich der Bliz & Donner in ein heftiges Schnee & Hagelgestöber auf; das uns bis zu unserm Nachtquartiere verfolgte. Abends beim
Einnachten hatten wir noch eine schlimme Passage zu gehen, nämlich
die Hängebrüke von Oroya. Ein
reißender Fluß fließt mitten in einer Felsschlucht, die den Weg theilt.
Ueber diesen Fluß ist eine etwa 80 Schritt lange Brüke gebaut & zwar aus Stöcken. Sehr lange Seile aus Ochsenhäuten reichen von einem
Felsen zum andern, 4 bilden den Brükenboden, & sind
mit Reisern bedekt, zwei bilden die Lehne. Einer nach dem andern muß zu
Fuß die Brüke paßieren kaum ist man ¼ des Wegs gegangen so fängt die Brüke
an zu schwanken & weichen & jeden Augenblik
glaubt man in den Fluß zu stürzen. Die Pferde werden langsam von Indiern herübergeführt. So langten wir Nachts
endlich nach mühevollem Tagewerke
in einer leeren Hütte an; wir kochten uns einige Kartoffeln aus den Futtersäken & aßen ein Stük Käse dazu. Die Nacht war schauerlich
kalt & ich hatte auch kein Stük troken Zeug, auf dem naßen Pellon (eine Wollene Deke die man über den Sattel legt)
& Pferdedeken, lag ich mit meinen triefenden Ponchos
zugedekt & verbrachte wahrlich nicht die angenehmste Nacht. Schon
Morgens um 4 Uhr sattelte ich wieder auf & schikte
von da Klee nach Tarma um mich zu erwarten, da ich vorher noch einen
Abstecher machen wollte, ohne zu Eßen od. zu
Trinken, oder auch nur vom Pferde zu steigen, ritt ich mit Durchnäßtem halb erfronen Körper
11 leguas (Jede legua etwas größer als eine deutsche Wegestunde) bis ich an meinen ersten
Haltpunkt anlangte, Roß & Mann ziemlich erschöpft. Diese letzte
Tagereise ritt ich beinahe immer durch Hochebenen der Puna & nur 3 leguas thalunter. Bei unzähligen
Ueberresten aus der Zeit der Incas ruhte mein Blik, Stüker von einer Heerstraße sind noch gut erhalten, überrall auf den kleinen Hügeln sieht man wo die
Postniederlagen waren, die sozusagen als Telegraphen von Cuzco nach Lima dienten. Ich entschloß mich für's erste einige Zeit in
Jauja (spr. Chaucha) einer der
größten Orte im innern Perus nach dieser Seite
hin zu bleiben, und meine Ladungen zu erwarten, die weit zurükgeblieben
waren. Wirthshäuser giebt es auch in den besten Städten des Innern nicht; man macht
Gebrauch der allgemein verbreiteten &
angenommenen Gastfreundschaft & kann sie ganz ohne
Scrupeln Monate lang genießen. Jauja liegt in der untern Puna wo noch kein Baum
wächst & nur Klee & Gerste gezogen wird. Sie ist Hauptstadt der Provinz nämlichen Namens
& ist etwa so groß wie ein Baurendorf bei uns;
die Häuser alle sind sehr niedrig & nur plein pied ist bewohnt.
Sitten & Gebräuche sind von denen der Lima & der Küste himmelweit
verschieden, nur die Gebildeten sprechen spanisch, der gemeine Mann spricht Quichoa, die Sprache der Eingebornen
zur Zeit der Incas, jedoch hier weniger rein, als mehr gegen Süden.
Kleine Scheidemünzen wie in Lima kennt man
da nicht; Eier werden als solche betrachtet & bilden so einen
Tauschhandel. Von Jauja machte ich einen
Ausflug nach den Minen (Silberminen) von Chuquipiti die in der 3t Cordillèrereihe liegt etwa 11 000'
S. M., wo ich einen guten Bekanten von mir dem
die Minen gehören besuchte. Auf einem fürchterlichen Weg gelangte ich bis
in die Puna & mußte dort auf so bedeutender Höhe an einem
Fluße den ich nicht paßieren konnte die Nacht zubringen& gelangte nach unsäglichen Mühen & Gefahren des nächsten
Tages an den Ort meiner Bestimmung. Ich hatte einen Indier zum Führer bei mir, der hatte aber den Weg verfehlt, da
solch ein Weg vielleicht alle Jahre ein bis zweimal gegangen wird, er führte fortwährend
über Cordillere rüken, so daß ich jeden Augenblik absteigen mußte
& mein Pferd oft zurükhielt, daß es nicht in den Abgrund stürzte.
Mehrmal war ich auf dem Punkte den Indier todt zu
schießen, that es aber einzig darum nicht weil ich fürchtete, mich ganz zu
verlieren. Die letzte Abtheilung des Weges führte über einen Pfad den Kühe & Vicuña festgetretten hatten.
Jeden Augenblik war ich zum Sprunge bereit & als ich unten war sah
ich schaudernd auf den zurükgelegten Weg, den ich um keinen Preis noch einmal gemacht hätte. Ich blieb einige Tage in der Mine. Dieser Aufenthalt war mir sowohl
in geologischer als zoologischer Beziehung sehr wichtig, ich tödtete dort zwei Exemplare eines selten, in Europa beinahe
unbekanten Säugethieres ( lepus Viscache )
viele Vögel etc. Diese Tage in Chuquipiti waren die einzigen Tage seit vielen
Monaten die ich froh und in süßem Selbstvergeßen zubrachte & kehrte nur nach Jauja zurük um Unannehmlichkeiten entgegen zu gehen. Ich erhielt dort
verspätete Briefe von
Klee aus Tarma, worin er mich
dringend bittet zu ihm zu kommen um ihm Hilfe zu leisten, da er an den Poken darnieder
liege. Den Tag nach meiner Ankunft nehme ich ein frisches Maulthier & gehe eile nach Tarma wo ich Klee nicht
mehr finde; er war nach [der?] Montaña abgereist um dort zu
reconvalescieren. Ich kehrte nach Jauja zurük um meine Ladungen zu holen & ging dann mit ihnen zusammen wieder nach Tarma wo ich 10 Tage blieb. Weder da noch in Jauja sind Aerzte, also hatte ich sehr
viel zu thun & konnte meine leere Börse wenigstens so weit füllen um
die nothwendigsten Gegenstände die ich verloren hatte, wieder einzukaufen. |
Montaña nennt
man in Peru die Urwälder, od. die mit uralten Waldungen besetzten Berge. Montaña real sind ist aber die mit solchen Wäldern
besetzten Ebene, wie man sie weiter nach Brasilien zu findet. Mein Plan war in die Montaña von Vitoc zu gehen die 11°
15' S. B. & 300° 51' W von Teneriffa
liegt. Um von Tarma aus
dahin zu gelangen mußte ich noch die 2t
Cordilleren kette übersteigen & von
der Spize derselben die vielleicht 2000' niedriger ist als die erste. Wenn
man oben von dem höchsten Punkte hinuntersteigt gewinnt die Natur rasch ein anderes
Aussehen; besonders wenn man auf einem etwa 2500' niedrigern Bergrüken
angelangt, wo man ein erträgliches Obdach in einem Hause findet das zu der nahegelegenen Alp
gehört & wo Butter & Käse gemacht wird. Nie habe ich noch eine intressantere climatische Verschiedenheit
gefunden als wenn man von hier ganz ins Thal hinuntersteigt oben sind sparsame niedrige
Gesträuche feuchte Kälte durchfröstelt den ganzen Körper, wie man aber
einige tausend Schritte hinunter gestiegen ist, so verändert sich die ganze Scene,
die Bäume werden höher, üppiger, das Grün gewinnt einen eigenthümlichen
Glanz, andere Vögel bewohnen die Sträuche, andere Schmetterlinge umsumsen den Reiter,
wieder einige hundert Schritte hinunter, & die
ganze Scene hat sich wieder geändert so geht es immer hinunter unter herrlichen
Abwechslungen, die ich staunend bewunderte. Der Weg ist aber abscheulich,
Pferde können ihn nicht gehen nur Maulthiere & Esel. Von einem Stein
muß das Thier auf den nächsten springen oft gehts über ganz glatte schiefe
Steinflächen, so daß das Maulthier die 4 Füße zusammenstellt & auf
dem Hintern hinunterrutscht; Zweige schlagen alle Augen-blike dem
Reiter ins Gesicht oft muß er sich der Länge nach auf den Hals des Thieres legen um unter
Baumstämmen durchzukommen die halbverfault den Weg versperren. Du wirst dir
eine Idee von dem schlechten Wege machen wenn ich dir sage daß ich zwei mir gehörige
Lastthiere dabei verlor, einen starken schönen Esel mußte ich unterwegs
laßen & ein Maulthier nach seiner Ankunft todt schießen, weil es
durch den Weg unbrauchbar gemacht war. So langte ich endlich an meinem
vielersehnten Ziele an – ich stieg fürs erste in einer Café &
Zukerplantage ab, wo ich auch Klee mit starkem Wechselfieber fand. Die Montaña von Vitoc bildet ein durch
ziemlich hohe Bergzüge eingeschloßenes Thal, das seine Hauptöffnung nach Norden, nach der
Pampa del
Sacramento hin hat. Es hat 3 Flüße, von S. aus der
Montaña von Monobamba kömmt der Tulumayo, & aus S.W. von der Cordillère der Aynamayo. Diese vereinigen sich &
nach einem kurzen Wege von 3 leguas fallen sie in den Chanchamayo der seinen Ursprung in der Nähe von
Tarma hat. Die eigentliche bewohnte Montaña liegt zwischen dem Tulumayo & Aynamayo d. h. es ist ein Indierdorf (christliche Indianer) & eine Plantage. Die Montaña von Vitoc
hat den großen Nachtheil, das ihr angränzendes Gebieth von Wilden, unbekehrten Indianern bewohnt ist. Es sind dies die
Chunchos (spr. Tschuntschos). Seit
ungefähr 60 Jahren ist die Montaña bewohnt & schon früher wurden unzählige
Versuche gemacht diese Chunchos zu bekehren aber vergeblich, sie
schlugen beinahe alle Missionare todt; einmal nur näherten sie sich freundschaftlich der
Montaña, wo zur Zeit der
Spanier eine Festung war, freilich
nur mit 2 Kanonen & 15 Mann, wurden aber dort mißhandelt & scheinen ewige Rache allen Nachbaren geschworen zu haben. Mehrmals schon besonders früher machten sie Ausfälle & zerstörten die Pflanzungen & Häuser & tödteten was ihre fürchterlichen Pfeile erlangen konnten. Kurz ehe ich hier ankam hatten sie einen Mann, ein Weib, & einen
Knaben der christlichen Indier am Fluße getödtet,
der Knabe lag mit 15 Pfeilschüßen durchbohrt. Der Nationalcharacter dieser
Barbaren ist Feigheit mit Blutgier & Grausamkeit verbunden. Der
Hauptsiz der Chunchos ist in Chanchamayo, Pampo
del Sacramento & das Gebieth
zwischen Aynamayo & Chanchamayo ; wo sie
immerfort jagen [...?] [...?]. Nachdem ich 14 Tage mich in der
Plantage aufge-halten hatte & die
Umgebungen genauer kennen gelernt hatte entschloß ich mich mir eine eigne Hütte im Walde zu
bauen. Troz allen Vorstellungen & Einreden ging ich über den Aynamayo eine Meile weit von der letzten menschlichen Wohnung mit 4 Indianern, die mir in einer kleinen
Ebene mitten von 1000jährigen himmelhohen Bäumen umgeben einen Plaz frei hauen mußten, wo
ich nun mitKlee zusammen eine
Hütte baute. Die Indier aus Furcht vor den
Chunchos kamen nur 3 Tage & als wir mußten das Haus selbsten
vollenden. Eines Morgens wollten wir von der Pflanzung aus auch hinüber
gehen um zu zimmern, als wir den Fluß nicht paßieren konnten, der vom Regen
sehr angeschwollen war, um eine Brücke zu machen ist der Strom zu
reißend. Ich hatte zufällig mein Pulverhorn nicht bei mir nur Klee das seinige. Als wir noch eine Fährte suchten
hörten wir plözlich das Geschrei der Chunchos in der Direction unsers
Hauses & ein Werk der Vorsehung war es, daß wir nicht hinüber konnten.
Später als wir noch mit dem Hausbau beschäftigt waren hörten wir eine
¼tel legua von uns in einer kleinen Ebene wo früher ein
Chunchodorf stand diese Wilden schreien & Affen schießen,
die verfolgten Thiere kamen heulend zu uns gelaufen, fortwährend von den
Chunchos verfolgt, die erst ihre Verfolgung einstellten als sie noch etwa 200
Schritte von uns entfernt waren, mit gespantem Hahne erwarteten wir sie;
doch trauten sie nicht vorwärts zu kommen, deutlich hörten wir sie sprechen& bald vernahmen wir Tritte ganz nahe bei uns, wahrscheinlich
ein abgesandter Spion, den wir aber nicht sehen konnten, den der Wald ist so dicht daß man aus 8 Schritte kaum einen Menschen erkennen kann,
besonders einen solchen Indier nicht, der sich so
durch die Bäume windet. Wir schoßen einen Affen der auch gleich heulend
hinunter stürzte, das mochte den Kerls Respect eingeflößt haben, wir hörten sie sich entfernen. – So kam das Haus zu stande, es hat 16' Länge 10' Breite oberhalb 20'
Höhe; seine Wände bestehen aus Nebeneinandergereihten
Baumstämmen, die so mit einander verbunden sind, daß im Falle eines Angriffes, od. daß die Chunchos dasselbe in Brand steken, nach einem
einzigen Schritte die Wand umgeworfen werden kann. Oben ist ein Boden von
Rohr gemacht auf dem wir schlafen, unten könnten wir's nicht thun denn die
Feuchtigkeit ist zu groß. Sie ist so bedeutend, daß über Nacht der Schuß in der Flinte
untauglich wird, alles Eisenwerk sich dik mit Rost bedekt, das Salz zu Waßer zerfließt etc. Es nimmt mich
Wunder, wenn ich nicht mit Moos & Schimmel bedekt aus dem feuchten
Walde hervor
⌜aus⌝komme. – Das Hausdach ist mit langen Palmblättern bedekt & biethet ein stattlich Aussehen. So führe ich hier, einzig mit Klee zusammen ein nicht unangenehmes aber mühevolles und gefährliches Leben. Um Waßer zu holen müßen wir mit der Flinte gehen
überhaupt uns immer wohlbewaffnet halten, wozu uns 4 Doppelflinten helfen.
Von Zeit zu Zeit kommen Indier & bringen uns Banane, Ananas, Apfelsinen, Yuccas, Kartoffeln etc. aber immer zu 4 od.
5 zusammen weil der einzelne sich zu sehr fürchtet. Ich gebe den Kerls dafür Meßer,
Scheeren, Leinwand etc. Was wir schießen ist
unsere Nahrung, an Vögeln fehlt es nicht & oft giebt es Eichhörnchen
od. Affen in den Topf. Ein Bouillon von einem dieser
großen fetten schwarzen Affen schmekt wunderschön & sein Fleisch, obgleich von nicht sehr anziehender Farbe, macht ein
schönes Mittagsmahl. Du erinnerst dich doch der lacedaemonischen schwarzen Suppe! Um den Durst zu stillen haben wir reines Flußwaßer. Eine schrekliche Plage
sind die unendlichen Schwärme von Mosquitos die unsere armen
Körper im Anfange beinahe aufrieben. Hände & Füße waren nur eine
Wunde & dabei jukte es sosehr daß erst der Schmerz
gelindert wurde, wenn wir krazten bis wörtlich das Blut hinunterströmte. Das Gesicht war
hoch aufgeschwollen. Des Nacht belästigen uns die Vampyrs. Jezt
bin ich ganz daran gewöhnt. Die Temperatur ist hier sehr auffallend. Nachts +8° R. bis +14° R. des Mittags in der
Sonne +42° R. bis 45° R. also in Zeit von 12 Stunden eine Verschiedenheit von 30° R. Du solltest mich oft hier sehen mehr einem Wilden als einem Gebildeten
ähnlich. Auf die Jagd gehe ich nur in Schuhen, Hosen & Hemde & auf dem Kopf eine weiß & rothe Schlafmüze
od. ein seiden Tuch denn Müzen od. Hüte
sind total unbrauchbare Sachen weil sie von den
Zweigen fortwährend heruntergerißen werden & die Kleider sind von
Schmuz, Blut, Ruß & Fett so, daß man die
ursprüngliche Farbe nicht erkennt – & Bart &
Schnurbart solange daß sie bald Furcht erregen. Alle 1t Mondsviertel kommen
die
Chunchos in unsere Nähe zu jagen, dann müßen wir sehr auf der
Hut sein, sonst kann ich ganz ruhig hier leben, ganz den Naturwißen-schaften ergeben. Meine Sammlung wächst schön an. Die Pläne für meine Zukunft sind
folgende. Bis Anfang 1841 bleibe ich hier & kehre dann ⌜mit⌝ meiner Sammlung nach Lima zurük um sie nach Europa
einzuschiffen. Ihr Werth wird etwas das Doppelte der Unkosten des Neuchâteler Museums ausmachen. Von
hier aus schreibe ich nach N. daß man mir
Wechsel senden solle um meine Reise fortzusetzen; ich werde in Lima die nöthigen Sachen einkaufen & im May 1841 wieder ins Innere gehen, den Rio de Pangoa aufsuchen & den
hinunter in den Ucuayali gehen, eine Paßage die man mir als beinahe unmöglich wegen der Campas
eines sehr gefährlichen Indierstammes geschildert
hatte. Den Ucuayali würde ich etwa 600 leguas hinunterverfolgen bis an seinen Einfluß in den Marañon von dem in den Solimoës & dann in den Amazonenstrom wo ich bei Pará herauskomen würde. Sehe ich ein, daß dieser Weg unmöglich ist so gehe
ich nach dem Cerro de Pasco,
dann den Huallago hinunter,& mache so die nämliche Reise wie Poeppig & bemühe mich für
die Zoologie das zu leisten was jener große Reisende für Botanik that. Es
wäre dies eine Reise von der ich im glüklichsten Falle vielleicht erst
1845 nach Pará kommen würde. Denke dir,
lieber Freund, meine Lage, ich bin hier im Urwalde freilich mit wenigen
Bedürfnißen, aber habe nicht mehr wie etwa 30 Thlr. & muß hier bleiben bis ich von N. Geld erhalte. Ich hoffe die
Neuchâter
sind zu gentil um mich im Stiche zu laßen. – Ich opfere meine schönsten Jahre,
meine Gesundheit, meine Kräfte ja mein Leben im Intreße |
jener
Anstalt auf & du weißt ja wie uneigennützig ich gehandelt habe, daß
ich von der ganzen Reise & wenn sie auch 8 Jahre dauert keinen
pecuniaeren od. andern Vortheil habe, als
meine Notizen, meine Handschriften & Zeichnungen, die ja sonst mein
Eigenthum wären. –
Doch nun von dir, mein innig geliebter Alfred, wo denn bist du, wohin hat
deine Bestimmung dich gerufen, hast du dich nun entschloßen dich ausschließlich dem
Rechte zu widmen? Fühlst du dich glüklich auf Deutschlands universitäten? Ach wenn
ich zurükdenke an die Vergangenheit, möchte ich dich wohl auch leise nach gewißen
Gefühlen fragen, die du damals nur mir vertrautest, oder hat etwa die
allmächtige Zeit auch da spurlos verschwinden od. in schöne
Erinnerungen auflösen gemacht, was einst so mächtig dein Herz bewegte? Schon
17 lange Monate sind verfloßen, ohne daß ich eine Nachricht aus Europa erhalten hätte, wahrlich ein langer, sehr langer Zeitraum und wer weiß wie lange ich noch theuren Briefen entgegenharren muß? Ich
schreibe dir jezt um doch sicher in Perù Briefe
von dir zu bekommen, bald nachdem du diesen erhalten haben wirst. Schreibe
mir, durch deinen l. Vater kannst du die Briefe nach Bordeaux schiken du mußt folg. Addr. drauf setzen. J. J. Tschudi
p.p. Templeman y Bergmann en Lima, so werde ich
die Briefe sicher erhalten. Welche Wonne für mich von dir Nachricht zu erhalten. O, mein
Alfred, du glaubst nicht wie theuer, wie lieb du mir bist, es ist mir als
wenn die Entfernung statt der Freundschaft Gluth zu dämpfe, dieselbe vermehre & zur lichten Flamme empor-schlagen laße. Stunden
lange stehe ich oft ⌜an⌝ einen Baum gelehnt & sehe in den dunkel
schweigenden Wald hinein & denke an dich, mit dem ich so manche
trauliche Stunde verlebte & segne oft die gütige
Vorsehung, die mich mit dir so innig zusammenführte. Ich wurde so oft mißkannt & werde auch jezt noch oft als fühllos, hart, finster& einsilbig betrachtet, du kennst mich aber beßer, gegen dich
bin ich so frei, als ich es gegen mich selbst bin & du wirst meinem
wahren Ich immer Recht wiederfahren laßen gegen die Welt werde ich immer
jene Schattenlarve beibehalten. Seit dem Tage, daß ich deinen mir so theuren Ring erhielt,
hat er meinen Finger nie verlaßen& als nach mehr
als Jahresfrist die Haare anfingen zu bleichen & ein wenig zu
leiden, löste ich sie sorgfältig heraus & hob sie auf, der Reif aber
mit deinem Namenszug [...?] ziert meinen Finger & wird von
ihm nicht laßen so lange noch ein Tropfen Blut in meinen Adern fließt, od. so lange als das edle Metall hält. Ach, mein Alfred, ich bin
oft schwermüthig, ich weiß dich so ferne von mir, mitten unter einer Anzahl deiner Bekannten
& Freunde, ich sehe dich immerfort noch neue
Bande knüpfen & dann ist es mehr ⌜mir⌝ als vergäßest du meiner, als wenn
deine Freundschaft zu mir erkaltete & als ob ich bei meiner
einstigen Zurükkunft
[bescheid?] ⌜unbeachtet⌝ als Fremder zurükstehen müße, während
andere den Plaz in deinem Herzen einnehmen, den ich früher behauptete & dieser Gedanke peinigt mich dann aber nur für Augenblike, denn
bald werfe ich mir meine Ungerechtigkeit vor, & bin über mich selbst
unzufrieden. Schmähe mir deshalb nicht, wir kennen uns & ich bin versichert, daß ich bei meinem ersten Zutreffen mit dir, an eb eine ebenso
treue ⌜Brust⌝ gedrükt werde, wie jene die ich unter der Acazie in der Enge zum letztmal in meine Arme
schloß. Sollte mir aber etwas menschliches begegnen & sollte ich
meines Vaterland und meine Theuren nicht mehr sehen, nun, dann schenke mir
wenigstens hin und wieder einen Erinnerungsmoment & wenn du einst
auf der Altane deines väterlichen Hauses stehst & hinabsiehst in
den ruhigen Spiegel des Sees, der des Mondes blaßen Schein zurükwirft
& du denkst an die Vergangenheit &
erinnerst dich meiner, so werde auch ich zu dir hintretten & das letzte Lebewohl sagen. – Diesen Brief adressiere ich an deinen l. Vater, da
ich ja nicht weiß wo du dich aufhältst, ich werde ihm auch einige Zeilen
schreiben, du aber gieb mir Nachricht, wie es ihm geht & wie sich deine gute
Mutter befindet, sie haben [...?] ⌜mich⌝ immer so liebevoll behandelt, daß ich mich ihrer
dankbar erinnere. Du wirst wahrscheinlich mit mehrern meiner Bekannten zusammenleben,
vielleicht mit Blumern, diesem wakern & treuen jungen Manne, sage ihm die herzlichsten Grüße von mir. Was macht wohl Jakob Escher, grüße mir ebenfalls bestens. –
Ich habe noch eine Bitte an dich, laße sie nicht unbeachtet bleiben, schone deiner Gesundheit & deines Lebens, mische dich nicht in Gesellschaften, wo das eine od. andere gefährdet ist, laß dich nicht hinreißen vom Begriffe falscher Ehre, du, mein Alfred, hast dich dem Vaterlande, theuern Eltern & deinen Freunden zu erhalten. Ich will weder hier schulmeistern noch spreche ich aus Feigheit. Für's erste ist hier nicht der Ort, wegen letzterer brauche ich mich nicht zu entschuldigen. – Wie oft hatte ich gewünscht dein Portrait zu haben, leider ist es jezt zu spät, die Entfernung ist weit. Mein einfaches Haus hier zieren zwei mir werthe Bildniße, das eine meines Freundes Agassiz, das andere meines unvergeßlichen Lehrers Oken es ist das nämliche wie in seiner Naturgeschichte. Merkwürdiger Weise glauben alle die es hier sehen, es sei mein eigen Portrait. Was macht wohl dieser Veteran? Kennst du vielleicht in Berlin Prof. Wiegemann persönlich? Im bejahenden Falle kannst du mich ihm empfehlen – Doch genug von diesem, ich muß mein lieber, theurer Freund, enden. Möge dieser Brief glüklich die große Entfernung die uns trennt durcheilen& dich zufrieden & glüklich finden; daß ich an seiner Stelle hinkönnte! Lebe denn wohl mein Alfred, ich werde dir von Lima aus so Gott will, meinen letzten Brief aus Perù schreiben. Lebe herzlich wohl & glaube an die stete, treue Bruderliebe
Deines
J J Tschudi